Die 22-jährige Hotelière ist im Haffhus Hotel & Spa aufgewachsen, inzwischen gehört sie zum Hotelmanagement. Wir haben gefragt, wie die Generation Z, Nachhaltigkeit und Klimaschutz die Branche bereichern können.
Tophotel: Frau Winkler, Sie sind im Hotel aufgewachsen. Wie war das für Sie?
Nele Winkler: Alle Meilensteine, die das Hotel erlebt hat, jeder Bau, jede Veränderung habe ich miterlebt. Ich war eigentlich immer mittendrin. Von klein auf. Ich habe mit in der Hotelküche geholfen, war im Restaurant, obwohl ich kaum über den Tresen gucken konnte, und habe den Gästen die Zimmer gezeigt. Für mich war das ja nie Arbeit, sondern Zuhause. Auch meine eigenen Meilensteine habe ich hier erlebt. Bis heute verbringe ich mein Leben hier und habe eine kleine Wohnung.
Stand immer für Sie fest, dass Sie nach der Schule im Hotel mitarbeiten?
Ja, das war für mich eigentlich schon immer klar. Bei uns hieß es immer: Die Hotellerie liebt oder hasst man. Ich habe relativ früh herausgefunden, dass ich sie liebe. Zwar gibt es Berufszweige, in denen ich irgendwie aufgehen würde, die könnte ich aber nicht mit der gleichen Leidenschaft machen, mit der ich mich jetzt ins Hotel einbringe. Zum Beispiel haben wir gerade ein Modernisierungsprojekt, bei dem ich meine Kreativität und Liebe zum Detail ausleben kann. Die Hotelzimmer haben alle einen gastronomischen Bezug bekommen. Wir arbeiten mit Firmen zusammen, die auch achtsam wirtschaften. Bei solchen Projekten gehe ich richtig auf, und es fühlt sich nicht wie Arbeit an.
Sie haben nach der Schule keine klassische Ausbildung im Hotel gemacht. Warum nicht?
Weil ich mit dem Hotel aufgewachsen bin. So habe ich den Betrieb von der Pike auf kennengelernt. Richtig angefangen mitzuarbeiten habe ich als Schülerin in den Ferien und an den Wochenenden. Dadurch, dass es ja mein Zuhause, mein Betrieb ist, habe ich einen engen Bezug und eine hohe Motivation gehabt. Mein Herz habe ich allerdings hinter dem Tresen verloren und eine Ausbildung zur Barkeeperin in Barcelona absolviert. Anschließend habe ich den Ausbilderschein gemacht, weil ich mich mit den jungen Generation hier im Betrieb identifiziert habe und sie auch unterstützen möchte.
Nach dem Abitur habe ich ein Fernstudium im Hotelmanagement angefangen, muss aber ehrlich sagen, dass das nebenbei läuft. Was ich jetzt im Hotel verwirklichen und umsetzen möchte, lerne ich nicht in einem Studium, sondern in meinem Arbeitsalltag. Meine Eltern und ich, wir haben uns unsere Bereiche abgesteckt. Inzwischen arbeite ich im Restaurant, Spa und Nachhaltigkeitsmanagement. Mein Vater ist gelernter Koch und hat neben der Küche auch den besten Durchblick in der Energietechnik. Meine Mutter ist gelernte Bankkauffrau und hält im Büro und darüber hinaus die Fäden zusammen. Dazu kommt natürlich unser eingespieltes Team. So hat jeder seinen Verantwortungsbereich.
"Das Hotel war immer mein Zuhause, und es fühlt sich nicht wie Arbeit an.“
Sie wurden von ihren Eltern gleich mit eingebunden?
Ja, aber es war nie ein „Du musst oder du gehst“, sondern meine Eltern haben mir die Freiheit gelassen, zu entscheiden, ob ich das möchte oder nicht. Es hieß: „Wenn du etwas anderes machen möchtest, dann ist das nicht schlimm.“ Mir war aber schon in jungen Jahren klar, dass ich genau das mein Leben lang machen möchte.
Das war zu Beginn bestimmt nicht immer einfach?
In der Anfangszeit nicht. Als ich direkt nach dem Abitur in die Leitungsposition gegangen bin, musste ich mich natürlich auch Vorurteilen stellen. Du wirst mit anderen Augen angeschaut, wenn du als Junior dazukommst. Aber ich habe mich schnell und mit viel Energie eingebracht, auch wegen des Personalbedarfs. Da hatte ich ehrlich keine Zeit, darüber nachzudenken, was andere davon halten.
Sie führen mit Ihren Eltern ein Team von Mitarbeitenden. Spüren Sie da im Berufsalltag Unterschiede zwischen den Generationen?
Aus meiner Sicht spielt es keine Rolle, wie alt jemand ist. Ich sehe uns als Team, das funktioniert, weil wir familiär miteinander, effektiv und digital arbeiten. Wir sind insgesamt auch relativ jung. Einige unserer Mitarbeiter haben ihre Ausbildung bei uns gemacht oder sind inzwischen zehn bis 15 Jahre dabei. Die älteren sind, glaube ich, nicht ganz so offen für radikale Veränderungen. Ich bin meist so: Ganz oder gar nicht. Zum Beispiel habe ich, als ich vom Barkeeper-Schein zurückkam, im Restaurant die Getränkekarte auf den Kopf gestellt. Ich habe das Sortiment an Weinen, Limonaden und Spirituosen verändert und mich auf regionale Partner konzentriert. Mein Vater sagte erst: „Das kannst du doch jetzt nicht machen.“ Doch es hat gut funktioniert. Unsere Gäste sind jetzt quasi gezwungen, etwas Anderes zu probieren, und ihr Feedback ist positiv. Ich finde es persönlich immer super, wenn ich woanders hinfahre und etwas Neues probieren kann. Wenn ich dazu noch etwas aus der Region erzählt bekomme, finde ich das umso schöner.
Für manche ist das vielleicht zu risikofreudig?
Man muss auch mal etwas ausprobieren. Wenn es nicht läuft, können wir es immer noch anders machen. Ich glaube, diese neue, frische Energie und Leichtigkeit tut einem Unternehmen gut, ganz gleich, ob das jetzt von mir kommt oder von anderen im Team. Da finden wir dann mit der gesunden Skepsis der Erfahrenen einen guten Mittelweg und gehen Schritt für Schritt gemeinsam. Die Generationen können schließlich voneinander lernen.
Wie kann die Hotellerie aus Ihrer Sicht von den unterschiedlichen Generationen profitieren?
Die Zusammenarbeit der Generationen kann und wird die Branche bereichern. Die Generation Z hat zum Beispiel ein großes Selbstbewusstsein. Sie möchte sich verwirklichen und bringt den Wunsch mit, vorhandene Muster aufzubrechen und selbstständig zu sein. Wenn dann auch noch die Liebe zum Beruf da ist, dann kann das ein ganz neues und tolles Bild von der Branche geben.
Was würden Sie sagen: Was ist der Generation Z im Berufsleben besonders wichtig?
Wie war das mit dem Schimpfwort der Work-Life-Balance (lacht)? Das ist es ja irgendwie: mehr Flexibilität, mehr Freiheit, mehr Sinnhaftigkeit. Die junge Generation macht die Erfüllung und die Achtsamkeit aus. Dieses ganze Gefüge ist es. Diese Leichtigkeit, die sich viele junge Menschen auch im Beruf wünschen, die habe ich auch. Bei mir kommt noch die Grundmoral der anderen Generation dazu. Ich weiß von klein auf, was es bedeutet, viel zu arbeiten und loyal zu sein. Ich habe gelernt, Verantwortung zu übernehmen und kann das mit der Flexibilität verbinden.
"Ich weiß von klein auf, was es bedeutet, im Betrieb loyal zu sein.“
Wie sollte ein Hotel sein, damit es für junge Menschen ein attraktiver Arbeitsort ist?
Die Berufsbilder in der Hotellerie und Gastronomie sind sehr wandelbar. Wir sollten den Mut haben, das zuzulassen. Wenn Gastgeber so wie wir, als Familie, im Team arbeiten und auf die Wünsche der Generationen eingehen, dann wird das ganze Gefüge automatisch flexibler. Wir schauen, was im Unternehmen möglich ist. Zum Beispiel haben wir einen individuellen Dienstplan. Jeder im Team kann seine Wünsche äußern. Als Erholungshotel können wir familienfreundliche Öffnungszeiten bieten. Dann können Köche und Kellner abends noch bei der Familie sein. Wir versuchen drumherum einen Mehrwert für die Mitarbeitenden zu schaffen, nicht nur finanziell, sondern auch mit mehr Raum für Privates, Zeit mit der Familie im Betrieb oder mit unseren elektrischen Firmenwagen. Wenn Arbeit nicht nur Verpflichtung, sondern auch Freiheit bedeutet, bereichert das unser Hotel.
Wäre in Ihrem Haus eine Viertagewoche möglich?
Ganzheitlich ließe sich das nicht umsetzen. Es wäre schwierig, den Arbeitsaufwand zu bewältigen. Wir versuchen, individuell auf die Bedürfnisse des Teams einzugehen. Von 20- bis 40 Stunden-Woche, bis Gleitzeit oder Teilschicht haben wir bei uns so gut wie alles. Wir schauen, wie es für jeden passt, und dass wir gleichermaßen alle Bereiche gut abdecken, um die Arbeit zu bewältigen.
Ihre Eltern haben das Haffhus schon 2001 wärmeautark mit einer Hackschnitzelheizung betrieben. 2017 kamen ein neues Bettenhaus, Räume für Gastronomie und Veranstaltungen, ein modernisiertes Spa und die Technik für die Autarkie hinzu. Warum ist Ihre Familie schon damals diesen Weg gegangen?
Meine Eltern haben schon immer viel hinterfragt. Sie haben bereits damals, vielleicht auch unterbewusst, nachhaltig entschieden. Es war eine enorme Investition, die wir aus Überzeugung gemacht haben. Mit der Kapazitätserweiterung unseres Haffhus haben wir uns natürlich auch gefragt, wie wir den damit einhergehenden Energieverbrauch decken können. Mit Photovoltaikanlagen haben wir 2017 angefangen und Lust auf mehr bekommen, bis wir uns 2018 komplett vom öffentlichen Stromnetz getrennt haben. Unser Haus liegt in einem Naturschutzgebiet. Wir schnuppern morgens schon die Luft vom Haff und haben somit wohl einen anderen Blick auf die Dinge. Mittlerweile wirtschaften wir auf unserer kleinen Energieinsel achtsam mit forstwirtschaftlichen Abschnitten und der Sonne.
Wie reagieren Ihre Gäste darauf?
Die meisten sind positiv überrascht. Sie bekommen ein unbeschwertes Urlaubsgefühl, wenn sie wissen, dass sie bei uns klimaneutral Urlaub machen können. Früher haben viele Gäste gefragt, warum wir gewisse Dinge anders machen. Den Saunabetrieb steuern wir nach Wunsch der Gäste innerhalb der Öffnungszeiten oder lassen das Dampfbad per Knopfdruck aktiv selbst einschalten. Wir regulieren den Wäscheverbrauch nach Gästebedarf oder verzichten auf die tägliche Zimmerreinigung. Jetzt ist das schon fast selbstverständlich. Immer mehr Gäste denken nachhaltiger oder haben durch die Krisen eine andere Sichtweise auf Verbrauch und Ressourcen bekommen.
Und wie macht sich das Nachhaltigkeitskonzept für die Gäste bemerkbar?
Dass wir autark und nachhaltig sind, zieht sich wie eine rote Linie durch das Hotel. Irgendwann kommt der Gast damit in Berührung. Wie stark dies aufgenommen wird, hängt aber meist von den individuellen Wertigkeiten ab. Prinzipiell reichen die Lage direkt in der Natur, unsere Energietechnik oder die Kommunikation mit unserem Team schon aus, um auf die Sprünge zu kommen. Wir arbeiten allerdings auch mit digitalen Tools wie Tablets zur Information auf den Hotelzimmern oder unserem Energie-Dashboard, um tiefere Einblicke geben zu können. Auch die veränderten Abläufe, wie das schon angesprochene Spa-Management fallen natürlich auf. Wir versuchen, in unseren Gästen und in unserem Team, das Gefühl für das Wesentliche zu wecken.
Könnte das Haffhus auch Energie abgeben?
Prinzipiell ja. Wir hatten damals auch den Gedanken, in unserem Dorf die umliegenden Häuser mitzuversorgen. Dafür hätten wir größere Energietechnik genutzt, aber aufgrund der Gesetzeslage war das damals nicht umsetzbar. Für uns ist das inzwischen technisch nicht mehr möglich, da wir uns komplett abgekapselt haben. Jetzt nutzen wir unseren Mehrstrom großzügig für die Mobilität und Überschusswärme für den Spa-Bereich.
Welche Sorgen macht Ihnen der Klimawandel?
Natürlich beschäftigt mich das Thema, aber ständig nur darüber zu reden ändert auch nichts. Damit sich etwas ändert, muss etwas in den Köpfen passieren. Auch kleine Schritte bringen uns auf den richtigen Weg. Was mich nachdenklich stimmt, ist, dass in der Politik der Blick eher auf Ökonomie als auf Ökologie geht, anstatt diese zu verbinden. Bei den Begriffen Nachhaltigkeit und Klimaschutz reagieren viele mit Augenrollen. Das finde ich schade. Ich würde das eher als ein Umdenken bezeichnen, als neue Ansätze und innovative Ideen. Ein Wirtschaften mit Blick auf eine gute und hoffentlich lange Zukunft.
Wenn junge Menschen vor Hotels für den Klimaschutz demonstrieren, was denken Sie da?
Ich verstehe den Frust meiner Generation und dieses Gefühl der Aussichtslosigkeit. Es braucht einen Wandel in der Hotelbranche. Luxus im Überfluss finde ich persönlich nicht mehr zeitgemäß. Der Fokus sollte auf das Wesentliche gehen. Wir sollten hinterfragen: Was brauchen wir im Tourismus, damit Gäste Urlaub und Entspannung erleben? Welche Dienstleistungen möchten die Gäste heute wirklich? Welche neuen Erlebnisse können wir schaffen? Da kommt wieder die junge Generation ins Spiel, die Impulse in Hotellerie und Gastronomie bringen kann. Wenn wir so rangehen, kann sich viel verändern. Einfach mal machen.