#Monotalk Natalie Fischer-Nagel über Privathotellerie

Monotalk Natalie Fischer-Nagel
Natalie Fischer-Nagel im #Monotalk. © Christian Schoppe

Die Deutschland-Delegierte von Relais & Châteaux und Hotelchefin im Weissenhaus Grand Village Resort & Spa an der Ostsee spricht im Tophotel-Interview über die Chancen und Stärken der Privathotellerie, aber auch über heutige Gästewünsche und darüber, was sie an der Branche in Rage bringt.

Tophotel: Frau Fischer-Nagel, worin besteht für Sie der größte Unterschied zwischen einem Privathotel und einem Kettenbetrieb?

Natalie Fischer-Nagel: Unterschiede gibt es unzählige, aber wenn ich den markantesten wählen müsste, wäre es die besonders hohe und vor allem schnelle ­Veränderungsbereitschaft und Umsetzungsstärke in der Privat­hotellerie. Es ist eben ein Unterschied, wenn ein Eigentümer oder autark handelnder Geschäftsführer die Zeichen der Zeit wahrnimmt, interpretiert und dann entscheidet, dass Kursanpassungen oder ­-wechsel ­erforderlich sind. Das erfordert Mut, gute Nerven, ­tiefes operatives Wissen und höchste Verantwortungs­bereitschaft. Hier kommt es nicht nur auf die Quartals­ergebnisse an, sondern auf die richtige und nach­haltige Strategie für die kommenden Jahre. Auch aus dieser ­Kontinuität entsteht eine große Kraft, und resiliente Unternehmerpersönlichkeiten sind in diesen Zeiten besonders gefragt.


Natalie Fischer-Nagel

Die 42-Jährige ist seit rund zwei Jahren Deutschland-Delegierte sowie Mitglied des Verwaltungsrats der Hotelvereinigung Relais & Châteaux (R&C). Seit 2005 führt sie gemeinsam mit ihrem Mann Frank Nagel das Weissenhaus Grand Village Resort & Spa an der Ostsee.


 

Heute haben viele Privathotels Eigentümer, die ihr Geld in anderen Branchen verdient haben oder ­verdienen. Wie kann der klassische Privathotelier mit Immobilieneigentum da mithalten?

Das stimmt, dennoch möchte ich dem Irrglauben ein Ende bereiten, dass es Hotelinvestoren gibt, die ihr neues Engagement als reines Hobby betrachten. Investoren, die bereits in anderen Branchen erfolgreich waren, haben ­ihren Appetit auf eine attraktive Rendite nicht schlagartig verloren. Einige von ihnen machen jedoch in der anfänglichen Projektierung unnötige kostenintensive Fehler, weil sie als Vielreisende die Rolle des Gastes einnehmen und sich von ihrer persönlichen, individuellen Haltung leiten lassen.

Ich rate daher jedem branchenfremden Investor, gleich von Anfang an erfahrene Hoteliers mit ins Boot zu holen. Mittelfristig ist das stets ökonomischer. Auf der anderen Seite bringen diese Investoren auch neue Gedankenansätze ein. Der Founder und Gesellschafter von Weissenhaus, Jan Henric Buettner, hat sein Geld in der Tech-Branche verdient. Er ist ein absoluter Visionär und inspiriert meinen Mann und mich sehr.

Um gewachsene Familienbetriebe mache ich mir dennoch weniger Sorgen – und das, obwohl Herausforderungen wie die Inflation oder die Energiekrise sich weiter verschärft haben werden und die Rezession Fahrt aufgenommen hat, wenn dieses Interview erscheint. Doch gerade dann sind Leader gefragt, die über genau die begründete Intuition verfügen, die sich einstellt, wenn sich langjährige Erfahrung kumuliert. Generationenbetriebe sind stärker als viele glauben. Die Familien haben über Jahrzehnte eine Marke aufgebaut und bereits ­Krisen erlebt und überstanden. Sie können sich blitzschnell umstellen, gegensteuern und sich oftmals mit harter Arbeit, Zuversicht und Vision selbst retten. Gerade in der Pandemie haben viele Privathoteliers investiert und ihre Unternehmen für die Zukunft ausgerichtet.

Wie beurteilen Sie die Chancen für Privathoteliers als Arbeitgeber?

Offen gestanden, als ganz hervorragend! Es liegt an uns, unseren potenziellen Mitarbeitern zu vermitteln, wo der erlebte Unterschied im Alltag gegenüber der Marken­hotellerie ist. In einem privat geführten familiären Betrieb können Mitarbeiter ganzheitlicher wahrgenommen und individueller gefördert werden als in einer großen Markenwelt. Empathische Mitarbeiter, die äußert professionell und dem Gast zugewandt arbeiten, sind ohnehin der Luxus von morgen. Je mehr die Digitalisierung voranschreitet, desto kostbarer wird die persönliche Dienstleistung.

Viele Privathoteliers haben seit jeher eine langjährige und vertrauensvolle Beziehung zu ihrem Team und beschäftigen ganze Familien. Diese Häuser tauschen auch nicht alle zwei bis drei Jahre den General Manager aus, sondern richten sich explizit an Führungskräfte, die es schätzen, nicht nur eine Umsetzungsgehilfe zu sein, sondern ihre eigenen Ideen und Ansätze erfolgreich einzubringen und mit dem Projekt mitzuwachsen. Die Hotellerie bietet zahlreiche Entwicklungs- und Aufstiegsperspektiven, und zwar explizit auch für Mitarbeiter ohne akademischen Hintergrund.

Zusammenschlüsse wie Relais & Châteaux haben die Privathotellerie in der Historie vor allem im Bereich Marketing und Buchbarkeit unterstützt. Müssen sich ihre Inhalte nicht verändern?

Es ist interessant, dass das so wirkt. In Wirklichkeit sind wir jedoch eine Wertegemeinschaft. Aus meiner Sicht ist, neben der starken internationalen Sichtbarkeit, das wirklich Interessante an einer Mitgliedschaft der Zugang zu Weltklasse-Hoteliers, die man jederzeit anrufen kann, die einem Gäste und Mitarbeiter aus ihrem Portfolio schicken und mit denen man sich auch zu kontroversen Themen und insbesondere in Krisenzeiten wie diesen vertraulich austauscht.

Wir möchten unseren Mitgliedern mehr als die Zugänge zu internationaler Sichtbarkeit und Buchbarkeit geben, sondern auch interessante und exklusive Einblicke in Trendthemen, gerade im Bereich Kulinarik. Dabei sind unsere Küchenchef-Meetings, unser World-Culinary-Council und die Länderdelegations-Meetings ein wichtiges Instrument. Unsere Gäste haben ein sehr hohes Vertrauen in die Marke Relais & Châteaux. Entsprechend motiviert sind unsere Hoteliers, diesen Serviceanspruch zu leben und sich auch unseren anonymen Testern zu stellen. Unser Serviceteam in Paris hat die gesamte Pandemiezeit über weitergearbeitet und spannende digitale Projekte vorangetrieben, von denen wir jetzt alle profitieren. Auch das ist nachhaltiges Unternehmertum.


Über Relais & Châteaux

Die 1954 gegründete internationale Hotel- und Restaurantvereinigung zählt derzeit weltweit 580 Hotels und Restaurants als Mitglieder, davon 19 in Deutschland. Alle sind unabhängige Unternehmen, die meist seit vielen Jahren von Familien geführt werden. Relais & Châteaux ist auf fünf Kontinenten präsent. Die Verpflichtung, das lokale Erbe und die Umwelt zu schützen, wurde 2014 von Relais & Châteaux in einem Manifest festgehalten und vor der Unesco in Paris vorgetragen.


 

Was ist aktuell der Schwerpunkt der Relais & ­Châteaux-Arbeit?

Auf lokaler Ebene liegt mein Augenmerk auf der erfolgreichen Zusammenführung der deutschen und österreichischen Delegation und auf qualitativ hochwertiger Expansion. Unser jüngster Neuzugang ist das Hotel Purs in Andernach, und in diesem Segment möchten wir gern wachsen. Auf globaler Ebene beschäftigen wir uns ­unter anderem mit unserer verantwortlichen Rolle bei der Bewahrung und Förderung von nachhaltig angebauten Produkten und lokalen Zubereitungsmethoden. Gerade junge Köche finden bei uns einen Ort der Gemeinschaft und Inspiration. Daniel Humm etwa ist mit seinem Restaurant Eleven Madison Park in New York ein besonders leidenschaftlicher und innovativer Relais-&-Châteaux-Chef. Wir alle dürfen davon lernen.

Inwiefern haben sich die Gästewünsche in den ­vergangenen Jahren verändert?

Die Gäste haben mehr denn je Sehnsucht nach einer wohltuenden Distanz vom Alltag. Unsere Gäste suchen auf Weissenhaus den Eintritt in eine heile und intakte Naturwelt und eine unbelastete Umgebung. Mein Mann ist der Stratege und Planer im Unternehmen, dafür darf ich unseren Gästen ganz nah sein und wirklich ver­stehen, was sie sich wünschen und wie wir diese Wünsche in Hardware und Erlebnisse übersetzen. Dennoch kann ich nicht 24 Stunden am Tag für jeden Gast da sein. Daher sind herausragende Mitarbeitende, die in unserem Sinne und doch ganz persönlich auf Augenhöhe den Gast durch den Resort-Alltag begleiten, unverzichtbar.

Was bringt Sie in Zusammenhang mit der Branche in Rage?

Ich bin kein Fan davon, die Fachkräfte-Diskussion ständig neu zu befeuern. Wir müssen uns hier als Branche selbst helfen und angemessen kommunizieren. Die Hotellerie bietet in unterschiedlichen Schattierungen eine sehr prestigeträchtige Tätigkeit. Es ist für Quer- und Berufseinsteiger möglich, bereichernde Begegnungen mit Menschen zu haben, die andere nur aus den Tagesthemen kennen. Und gerade in Deutschland sind die Arbeitsbedingungen in der Hotellerie zumeist sehr gut. Ich bedauere, dass Journalisten oftmals voneinander abschreiben und betont kritisch über unsere Berufe veröffentlichen, anstatt sich ein ganzheitliches Bild zu machen.

Differenziert sehe ich auch, dass zur Philosophie vieler Marken immer noch der Satz gehört „Für den Gast gibt es kein Nein“. Wir sind professionelle Gastgeber. Wir erwarten von unseren Gästen jedoch auch, dass sie wissen, wie man sich als Gast verhält und dass wir diesbezüglich eine kultivierte Verabredung auf Augenhöhe haben. Dazu gehört, dass der Gast sich im Vorfeld informiert, was seine gebuchten und inkludierten Leistungen sind. Wenn Gäste sich unseren Mitarbeitenden gegenüber unfair verhalten, schreite ich ein. Meinem Mann und mir ist sehr wichtig, dass unsere Mitarbeitenden sich bei uns beschützt und in einer würdevollen Arbeitsumgebung aufgehoben fühlen.

Was mich jedoch richtig in Rage bringt, ist, dass wir es verpassen, zugewanderte Menschen mit einer Arbeitserlaubnis auszustatten, sie auf diese Weise bestens zu integrieren und ihnen zu ermöglichen, ihren Lebens­unterhalt selbst zu bestreiten. Es betrübt mich, wahrzunehmen, dass Hoteliers ihre Kapazitäten künstlich begrenzen, weil das erforderliche Personal nicht zur Verfügung steht. Der Staat verzichtet auf Steuereinnahmen, der Hotelier auf Erträge. Der Mensch, der arbeiten kann und möchte, verzichtet auf würdevolle Arbeit und Bezahlung und der Gast verzichtet auf ein tolles Erlebnis. Ich sehe hier keine Gewinner.

Zudem haben wir es bis heute nicht geschafft, die Vorzüge der Destination Deutschland international bekannt zu machen. Wenn ich am Flughafen Dubai die Destination Schweiz omnipräsent wahrnehme, erwäge ich natürlich den Aufenthalt dort. Auch die Südtiroler Kollegen machen diesbezüglich einen exzeptionellen Job.

Welcher Art Hotel geben Sie langfristig die größten Chancen?

Resultierend aus der besonders hohen Kosten- und der im Durchschnitt niedrigen Ratenstruktur in unserem Land sehe ich die größten Chancen im High-End und im gut gemachten Budget-Bereich und wenig dazwischen. Ich nehme wahr, dass es einigen herausragenden Häusern hierzulande gelingt, Raten durchsetzen, die europäisch üblich sind. Daher bin ich zuversichtlich, dass man auch künftig unseren Service im Luxussegment in jeder Beziehung würdigen wird. Das trägt auch dazu bei, großartige Talente zu halten, angemessen zu bezahlen und unserem Berufsbild den Glanz zurückzugeben, den es verdient hat.

Interview: Susanne Stauß


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