#Monotalk Markus Promberger über Workation

Markus Promberger im AMA Stay
Mit dem Aparthotel AMA Stay hat Markus Promberger vor zwei Jahren das Dolomiten-Örtchen St. Vigil auf die Workation-Landkarte gebracht. © MA Stay/Andreas Tauber

Wir haben mit dem 36-jährigen Gründer und Geschäftsführer des Aparthotels AMA Stay über digitale Nomaden und „ganz normale Urlauber“, konzeptuelle Herausforderungen und Mut zu Neuem gesprochen.

Es muss nicht immer Griechenland, Portugal oder Mexiko sein: Mit dem Aparthotel AMA Stay hat Markus Promberger vor zwei Jahren das Dolomiten-Örtchen St. Vigil auf die Workation-Landkarte gebracht. Konzepte, die Arbeit und Freizeit verbinden, haben im Zuge von Pandemie, Digitalisierung und New Work auch im DACH-Raum an Bedeutung gewonnen. Wir haben mir dem 36-jährigen Gründer und Geschäftsführer über das Thema "Workation" gesprochen.

Tophotel: Herr Promberger, mit dem AMA Stay haben Sie 2022 eine Workation-Residenz in St. Vigil in Enneberg positioniert. Wie bewährt sich das Konzept?

Markus Promberger: Mit unserem Konzept bringen wir eine sehr junge internationale Zielgruppe nach St. Vigil. Gäste aus über 80 verschiedenen Herkunftsländern haben bereits bei uns übernachtet. Das Durchschnittalter liegt bei 38 Jahren, die Aufenthaltsdauer zwischen einer Nacht und drei Wochen. Für ein Workation-Konzept unserer Größe war es wichtig, schnell zu einer gewissen Auslastung heranzuwachsen. Hier hilft uns der MICE-Sektor sehr, da wir angesichts einer Größe von 156 Betten auch Unternehmen mit einer Zahl von 100 bis 140 Mitarbeitern ansprechen können. Damit füllen wir das Haus relativ schnell, teils werden wir sogar komplett gebucht. Die Durchschnittsbelegung liegt bei 60 Prozent, unsere Vision ist es weiterhin, die erste Wahl für digitale Nomaden und Remote Workers im Alpenraum zu werden.

Wie hoch ist der Anteil digitaler Nomaden unter Ihren Gästen?

Das ist schwer zu bestimmen, denn keiner unserer Gäste registriert sich explizit als digitaler Nomade oder Workationer, wenn er bei uns bucht. Wir beobachten aber ganz klar, dass unsere Räumlichkeiten, in denen allein oder in der Gruppe gearbeitet werden kann, sehr viel genutzt werden. Letztlich ist die Bezeichnung auch eine Definitionssache, das kann jeder an seinem eigenen Reiseverhalten nachvollziehen: Definiert man sich selbst als digitaler Nomade, wenn man unterwegs ist? Arbeitet man vom Laptop aus oder nicht? Arbeitet man von unterwegs oder nur vom Büro oder Homeoffice? Eine klare Tendenz lässt sich dennoch erkennen: Wer den Wunsch verspürt, Arbeit und Urlaub zu kombinieren, plant längere Aufenthalte. Workation ist mittlerweile auch Teil eines Lifestyles, der ein Zugehörigkeitsgefühl schafft. Wir haben auch viele Leisure-Gäste, die zwar nicht explizit Workation machen, aber trotzdem eine Workation-Residence für ihren Urlaub wählen.

"Digitale Nomaden brauchen eine Art Community Manager"

Bedeutet das für Sie nicht auch einen Spagat zwischen Remote-Workern und Urlaubern?

Absolut, es ist der Spagat, nicht als reines Business-Aparthotel, aber auch nicht als pures Vacation-Haus wahrgenommen zu werden. Das ist herausfordernd in der Kommunikation. Wir wollen weder den Leisure-Gast abschrecken noch den Business-Gast bevorzugen.

Welche Nation erleben Sie am Workation-freudigsten?

Hier sind die Deutschen und der DACH-Raum tatsächlich am stärksten vertreten. Das zeigen auch die Suchanfragen bei Google, die in den vergangenen zwei, drei Jahren exponentiell gestiegen sind. Zu dieser Entwicklung scheinen auch die Arbeitsverträge beizutragen, die die nachfolgende Generation heute angeboten bekommt und die bereits feste Kontingente an ortsunabhängiger Arbeit beinhalten. Meine Schwester arbeitet beispielsweise in einer Kreativagentur, deren Arbeitsverträge standardmäßig 90 Tage Workation vorsehen.

Woher kommt Ihr Zugang zum Thema Workation? Zuvor haben sie auf dem familiengeführten Almgasthof mitgearbeitet, wo das sicher weniger ein Thema war.

Nicht ganz, unser Almgasthof wurde in der Randsaison von vielen Unternehmen frequentiert, die über mehrere Tage zu uns kamen, darunter Miele, Lufthansa oder Sporthersteller mit 400 bis 500 Angestellten. Die Idee, das Thema Workation gezielter aufzugreifen, kam mir und meinem Bruder Klaus dann während der Coronapandemie. Bei einer gemeinsamen Skitour haben wir festgestellt, dass wir hinterher in zwei Stunden effektiver waren, als wenn wir acht Stunden im Büro gesessen hätten. Doch dieses Glück, mitten in der Natur zu sein, hat nicht jeder. Wir haben uns also gefragt, was würden andere dafür geben, um hier in St. Vigil an ihren Projekten arbeiten zu können. Da ich Innovationsmanagement in Berlin studiert habe, hat uns das zusätzlich ermutigt. Zumal es im gesamten Alpenraum seinerzeit kein Angebot gab, das Workation derart strategisch positioniert hat – nah am größten Skigebiet Südtirols, dem Kronplatz, und den Dolomiten als Unesco Weltkulturerbe sowie mit einem Partner wie den Kronplatz Seilbahnen, die in das Hotel investiert und an das Projekt geglaubt haben.

Was haben Sie mit dem Bau und Betrieb des Aparthotels selbst über das Thema Workation dazugelernt?

Zwei Dinge – erstens: Im Workation-Segment ist das A und O, eine Community aufzubauen. Das ist schwieriger als gedacht und es braucht Zeit. Meiner Meinung nach benötigen wir für alleinreisende digitale Nomaden eine Art Community Manager, der sie zusammenbringt. Sprich, jemanden, der einen Wochenplan mit Community-Angeboten erstellt und für Vernetzung sorgt. Ein Schritt dorthin sind unsere jährlichen Community Days, die gerade zum zweiten Mal stattgefunden haben. Unter dem Motto „Travel and Cultural Immersion“ waren verschiedene Speaker eingeladen, dazu gab es Workshops – alles mit dem Ziel, die Leute zusammenzubringen und eine Community aufzubauen. Zweitens: Das Thema Preisspagat. Als Workation-Destination konkurrieren wir hauptsächlich mit warmen Destinationen wie Griechenland, Portugal und Bali – für diese Orte benötigen Workationer weniger Ausrüstung als für einen Berg- oder Winterurlaub in Südtirol. Mit diesen Destinationen budgettechnisch zu konkurrieren ist daher schwierig. Bei uns startet die Übernachtung im Doppelzimmer bei 200 Euro – damit sprechen wir eher Zielgruppen an, die beruflich schon fest situiert sind, und weniger die 20- bis 30-Jährigen.

Über Markus Promberger

Der 36-Jährige entstammt einer Südtiroler Gastgeberfamilie, die 24 Jahre lang den Almgasthof „Ütia de Börz“ im Würzjoch (Passo delle Erbe) im Herzen der Dolomiten betrieben hat. 2022 eröffnete Markus Promberger zusammen mit seinem Bruder Klaus das Aparthotel AMA Stay mit 78 Zimmern in St. Vigil in Enneberg, das sie seither als Workation-Destination für digitale Nomaden und Remote Workers positionieren. Davor war der Gründer und Geschäftsführer als Marketingberater bei Brandnamic, freiberuflicher Mediaplaner in Berlin, Geschäftsführer des Almgasthofs Ütia de Börz sowie Strategist & Projektmanager in Brixen tätig. Darüber hinaus hat Promberger in Berlin Innovationsmanagement studiert

Welche Standards sind für ein Workation-Angebot unerlässlich?

Coworking Spaces und Meetingräume sollten flexibel gestaltet werden können. Das heißt, das Interior ist nicht fix an einen Raum oder Platz gebunden, sondern kann variabel eingesetzt werden. Außerdem unerlässlich sind Rückzugsorte wie Kabinen für ungestörtes Telefonieren, Tageslicht, moderne Technik und exzellentes Wi-Fi.

Womit heben Sie sich darüber hinaus ab?

Wir haben das Aparthotel so gestaltet, dass es für jeden Gast und jede Aufgabe den optimalen Arbeitsbereich bietet – ganz gleich, ob allein oder im Kollektiv gearbeitet wird. Die Zimmer sind dank großer Schreibtische bürotauglich. Für den Austausch mit anderen gibt es Coworking Spaces im zweiten und dritten Obergeschoss, die jeweils mit einem Social Table, Telefonkabinen und privaten Schreibtischen ausgestattet sind. Zusätzlich haben wir Seminarräume mit Platz für bis zu 150 Personen. Da wir uns von Anfang an als Haus mit lediglich drei Apartment-Kategorien positioniert haben, ist es für uns einfacher, Unternehmen mit einer höheren Mitarbeiterzahl anzusprechen. Denn durch die geringe Differenzierung der Zimmer gibt es weniger Konflikte, wer das schönere Zimmer bekommt. Vor Kurzem hatten wir einen Gast, der für seine Doktorarbeit über 20 Workation-Betriebe analysiert hat. Seiner Einschätzung nach gibt es im gesamten Alpenraum keine Struktur unserer Größe – 156 Betten, 160 Restaurantplätze, 160 Tagungsplätze –, die die Bedürfnisse eines Unternehmens zu 360 Grad abdeckt.

Woher nehmen Sie Ideen und Inspiration?

Mir hilft es sehr, mich mit Künstlern, Architekten, Investoren, Gleichgesinnten oder Andersdenkenden auszutauschen. Das gibt mir neue Perspektiven. Das vereinsbasierte Netzwerk Coworkation Alps beispielsweise, zu dessen zertifizierten Locations wir gehören, hat uns geholfen, die richtigen Standards zu definieren, wie etwa: Wie schnell soll das Internet sein? Welches Grundmaß muss ein Tisch haben, welche Longstay-Angebote biete ich an et cetera? Ich denke viel darüber nach, wie wir noch besser werden können, zumal immer mehr Anbieter ins Workation-Segment eintreten wollen.

Was ist derzeit Ihre größte Herausforderung?

Parallel zur operativen Arbeit genügend Zeit für Reflexion und strategische Arbeit zu finden, ist eine Herausforderung. Wenn ich mitten in der Hochsaison stecke, habe ich nicht den Kopf, mir über Strategisches Gedanken zu machen. Doch durch den Austausch mit anderen schöpfe ich wieder neue Kraft.

Wie kommt Ihr Konzept in der lokalen Community von Sankt Vigil an?

Inzwischen positiv. Anfangs haben nicht alle gleich die Positionierung verstanden, als wir mitten im Ort ein komplett neues Hotelgebäude hochgezogen haben. Doch uns war klar, dass das Dorf nicht das x-te Wellness-, Familien- oder Sporthotel braucht. Ich bin überzeugt, dass wir einen Mehrwert für den Ort geschaffen haben, da wir eine jüngere, internationale Klientel hierher bringen. Davon profitieren nicht nur die Almhütten am Mittag, da wir keine Halbpension anbieten, auch am Abend ist mehr los im Dorf.

"Wir konkurrieren mit warmen Destinationen wie Griechenland, Portugal oder Bali."

Für Ihre Gäste haben Sie sich New Work auf die Fahnen geschrieben, gilt das auch für Ihr Team?

Wenn wir Workation nicht auch leben würden, würde der Gast das spüren. Authentizität ist uns daher sehr wichtig, ebenso wie Unternehmenskultur. Für diese haben wir die sechs Werte Gastfreundschaft, Ehrlichkeit, Transparenz, Selbstbestimmung, Stolz und Demut definiert. Die wichtigste Investition in unserem Sektor sind die Mitarbeiter, um nachhaltig bestehen zu können. Wir haben ein sehr junges Team – Durchschnittsalter 28 Jahre, mehr als die Hälfte Quereinsteiger, zehn verschiedene Nationalitäten. Mein Bruder Klaus ist sehr engagiert, wenn es darum geht, mit dem Team gemeinsame Ausflüge in die Berge oder an die Seen zu unternehmen oder gemeinsame Projekte oder Workshops aufsetzen, die neue Ideen hervorbringen. Derzeit ist er selbst als digitaler Nomade in Zentralasien unterwegs und fehlt hier ein wenig. Darüber hinaus ist es unseren Mitarbeitern freigestellt, mit dem Laptop von zu Hause zu arbeiten, wenn sie sich dort besser konzentrieren können oder es ihre Tätigkeit zulässt.

Welche Entwicklung sehen Sie für das Thema Workation in der Hotellerie allgemein?

Mich persönlich freut es, dass das Thema immer mehr wahrgenommen und darin Potenzial gesehen wird. Die Pandemie hat New-Work-Ansätze noch beschleunigt, und ich glaube nicht, dass diese so schnell wieder verschwinden. Sicherlich gibt es auch Hotels, die auf den Zug aufspringen, weil das Thema gerade angesagt ist. Wenn dann allerdings unter dem Label „Workation“ lediglich der Frühstücksraum zum Meetingraum deklariert wird, finde ich das eher schwierig.

Wie werten Sie die Ansage vieler großer Unternehmen, ihre Beschäftigten wieder verstärkt ins Büro zu beordern. Hat das Auswirkungen auf Ihr Konzept?

Zurzeit nicht. Unter unseren Gästen sind zahlreiche Unternehmen, die komplett remote arbeiten und sich wiederholt bei uns einbuchen. Die haben kein Headquarter, wo sich alle treffen, sondern machen das bei uns und unser Haus dann quasi zu ihrer Bürofläche. Auf dem Programm stehen dabei intensive Teammeetings, Master Classes, Workshops und Outdoor-Events, die allerdings nichts mehr mit den früheren Incentive-Reisen zu tun haben. Ein Unternehmen hat beispielsweise ein Rodelrennen organisiert und das als Teil der Arbeit gesehen. Nach der Competition haben sich dann alle zusammengesetzt und weitergearbeitet.

Sie haben alles auf die Karte Workation gesetzt – wie sicher waren Sie, dass sich das in St. Vigil trägt?

Diesbezüglich hatte ich durchaus schlaflose Nächte. Doch wir haben das große Glück, mit den Kronplatz Seilbahnen einen guten Partner an unserer Seite zu haben. Ausschlaggebend für die Zusammenarbeit war für uns, dass es diesem nicht nur um Profitorientierung, sondern auch um einen gesellschaftlichen Gesamtauftrag geht. Und der beinhaltet, einen Mehrwert für unsere lokale Umgebung zu schaffen. Damit das gelingt, mussten wir natürlich etwas Neues wagen – ohne 100-prozentige Sicherheit, aber mit dem Glauben an das Konzept. Ich kann nur raten, sich mit der eigenen Angst vor einem Scheitern oder einem Misserfolg auseinanderzusetzen. Wer diesen Mut aufbringt, gewinnt schon viel, denn das Scheitern findet ganz oft im eigenen Kopf statt.