Lindenberg Hospitality gilt in Deutschland als Pionier für „Collaborative Living“ und anspruchsvolle vegane Küche. Mit dem Lost Lindenberg eröffnete die bis dahin auf den Standort Frankfurt am Main konzentrierte Gruppe vor zweieinhalb Jahren ihr erstes Hideaway auf der indonesischen Insel Bali und legte damit den Grundstein für weitere Projekte mit klarem Fokus auf Leisure-Reisende. Im Frühjahr 2025 folgt mit dem Lilløy Lindenberg das nächste Hideaway auf der Insel Midtøy vor der Küste Norwegens. Denise Omurca (40), Geschäftsführerin der Lindenberg Hospitality, sprach mit Tophotel über das Konzept und besondere Orte.
Tophotel: Frau Omurca, was war der Antrieb für Ihre Expansion ins Leisure-Segment?
Denise Omurca: Bali gab den Anstoß. Voraus ging, dass wir seit 2016 unsere Häuser in Deutschland peu à peu auf eine rein vegane Küche umgestellt haben. Ich war damals Geschäftsführerin des Restaurants „Seven Swans“ und reiste nach Bali, um in erster Linie kulinarische Zusammenhänge, aber auch die Geschmacksrichtung Umami besser verstehen zu lernen. Die indonesische Küche lebt vegane und vegetarische Küche vor, Tempeh und Tofu sind ihre Hauptbestandteile. Ich war sofort fasziniert von der Insel, ihrer Kultur und den Menschen. Bali ist ein Sehnsuchtsort. Du bist einmal da, fliegst zurück und kannst an nichts anderes mehr denken als an diese Insel. So beschlossen wir, hier etwas Neues aufzubauen.
Das hört sich nicht nach geplanter Wachstumsstrategie an ...
Nein, wir hatten das weder geplant noch hatten wir zu viel Zeit, vielmehr waren wir gerade in der Planung für unser damals größtes Projekt in Frankfurt. Wir haben das Projekt in Bali aber nicht überhastet realisiert, sondern sehr sorgfältig nach einer Location mit tollen Surfstrand gesucht, die nur Menschen bekannt ist, die schon viele Jahre auf der Insel leben. Die Infrastruktur war eher sekundär. Als wir den Standort im Küstenort Pekutatan im Südwesten Balis gefunden hatten, haben wir ein Projektteam aus Interior Designern, Architekten und Projektmanager zusammengestellt. Ich selbst kam 2018 für das Projekt nach Bali, der erste Spatenstich erfolgte 2019.
Denise Omurca
Denise Omurca war sich nach einer kaufmännischen Ausbildung sicher, dass ein reiner Bürojob für sie nicht geeignet ist. Nebenberuflich ließ sie sich in Koblenz zur Diplom-Sommelière ausbilden und wurde bald zur Restaurantleiterin. 2012 wechselte sie als Geschäftsführerin in das zur Lindenberg-Gruppe gehörende Restaurant „Seven Svans“ und begleitete dessen Hinwendung zur veganen Küche. 2014 wurde sie Geschäftsführerin in der Lindenberg Hospitality Group, die heute zwei Häuser in Frankfurt und eines auf Bali betreibt. Mit der Eröffnung des Lost Lindenberg auf Bali hat Omurca ihren Lebensmittelpunkt auf die indonesische Insel verlegt. Auf der ganzen Welt sucht die Gruppe nach weiteren einzigartigen Standorten für neue Projekte. Ein weiteres Haus – Lilløy Lindenberg – soll im kommenden Frühjahr auf einer norwegischen Insel eröffnen.
Können Sie diesen Standort näher beschreiben?
Es ist ein Dschungel, den man durchquert, ein Stück Land, auf dem sich heilige Tempel und Quellen befinden. Am Ende geht es unter Bäumen hindurch an einen menschenleeren schwarzen Strand. Die Magie hier, aber auch die Sonnenuntergänge sind so überwältigend, dass uns von vornherein klar war, welche Themenwelten die Guest Experience beeinflussen würden. Sehr wichtig war uns ein Architekturteam, das respektvoll mit dem Land umgeht. Wir wollten in die Höhe und nicht in die Breite wachsen und alles, was wir vorfinden, zelebrieren. Die Atmosphäre erinnert an das traditionelle, historische Bali. Wir haben acht Zimmer auf vier Türme verteilt, alle 45 Quadratmeter groß. Die Gäste schlafen auf Höhe der Baumwipfel und sehen durch die Panoramafenster den Dschungel und das Meer. Es gibt ein Restaurant, einen Pool mit Café und Bar, den Strand und ein Sonnendeck mit einer riesigen Matratze und Sonnenschirmen.
Sie arbeiten mit vielen Einheimischen zusammen. Was sind auf Bali die größten Herausforderungen?
Am Ende war ich selbst meine größte Herausforderung, weil ich mich mit der Kultur und auch der Sprache erst einmal vertraut machen musste. Ansonsten gilt für Bali das Gleiche wie für alle anderen Lindenberg-Häuser. Die Verwurzelung mit dem Standort funktioniert vor allem über die Menschen: Ich habe mich mit meiner 75-jährigen balinesischen Nachbarin besprochen, welche Blumen wir am besten anpflanzen, und ich habe mich mit dem ortsansässigen Surflehrer ausgetauscht, welche Community-Kinderprogramme wir initiieren könnten, um der Gemeinschaft auch etwas zurückzugeben. Mit einem Hundeliebhaber aus dem Dorf haben wir zudem eine Hundeinitiative ins Leben gerufen. Dieser lokale Gedanke, der unseren tiefsten Werten entspricht, zieht sich weiter bis in die Personalstruktur, die Lieferkette und die verwendeten Produkte.
"Wir wollen der lokalen Gemeinschaft etwas zurückgeben."
Denise Omurca
Welche Zielgruppe sprechen Sie auf Bali an?
Wir haben Gäste aus aller Welt und unsere Zielgruppe nicht ganz eng definiert. Viele stammen aus Europa, vor allem aus Deutschland, Skandinavien und Spanien, aber auch aus Australien oder Südkorea. Es sind viele Gäste darunter, die uns aus Deutschland kennen. Andere sind einfach reiseerfahren und suchen sich für den Familienurlaub oder den Honeymoon bewusst einen besonderen Ort aus, wo sie tagsüber surfen und abends mit einem guten Glas Wein entspannen können.
Im Frühjahr 2025 soll auf der norwegischen Insel Midtøy in der Provinz Vestland das Lilløy Lindenberg eröffnen. Wie wurde dieser Standort gefunden?
Norwegen war eine Real-Estate-Zufallsentdeckung während Corona. Wir suchten nach einer Insel, allerdings sind die meisten angebotenen Inseln im tropischen Umfeld zu finden. Doch dann stießen wir auf diese kleine verregnete Insel in der Nähe von Bergen. Wer sich mit besonderen Orten beschäftigt und die Bedenken abbaut, was der Organisation eines Hotelbetriebs dort im Wege stehen könnte, findet Ideen und Lösungen. Sicherlich gäbe es hundert Gründe, Norwegen nicht als Hospitality-Projekt zu betreiben, und wir haben auch gefühlt tausend Fragen dazu noch nicht beantwortet, doch ich glaube, dass eine unserer Stärken darin besteht, angstfrei Visionen zu spinnen, dann Lösungen zu finden und in tollen Teams zu arbeiten. Die künftigen Gäste werden das Haus komplett als Gruppe mit zehn Personen buchen können, aber zu bestimmten Zeiten ist auch ein Restaurantbesuch mit einzelnen Zimmern buchbar.
Wollen Sie weiter wachsen?
Klar, in den nächsten 20 Jahren kommen hoffentlich weitere Projekte weltweit dazu. Wir sind unternehmerisch so konzeptioniert, dass wir in unserem Handeln ziemlich frei sind. Wir müssen nicht wachsen, um unsere Rechnungen zu bezahlen. Es geht immer um die Sinnhaftigkeit eines Einzelprojekts. Nur wenn Locations wirklich einzigartig sind und wir an sie glauben, setzen wir uns zusammen und denken darüber nach. Wir haben das große Glück, dass wir ein junges Team sind. Die Gemeinsamkeit ist, dass wir Konzepte erst einmal so bauen, denken und kreieren, dass wir an diesen Orten selbst gern Zeit verbringen würden. Jedes Objekt hat ein operatives Projektteam, das die Location meistert, und im Backoffice schaue ich mit einem kleinen Team übergreifend auf die Themen: Was steht an, wie können wir es strukturieren?
Wie gelingt dabei der Spagat zwischen Profitabilität und werteorientierter Arbeit?
Wir sind keine Unternehmung, die von Lust und Liebe lebt. Wir denken und arbeiten unternehmerisch. Das funktioniert nur über verschiedene Parameter, die wir definieren. Das eine schließt das andere nicht aus, im Gegenteil. Werteorientierte Unternehmen, deren Authentizität auch von den Teammitgliedern im Herzen mitgetragen wird, machen vieles einfacher. Wenn ich eine schöne Immobilie habe mit einem tollen Team und einem guten Gastrokonzept, weshalb sollte ich dann nicht erfolgreich sein? Da spricht überhaupt nichts dagegen.
Sollten sich moderne Hospitality-Konzepte an solchen Vorstellungen orientieren?
Ich glaube, es gibt in der Hospitality kein Muss. Und wir sind sicher nicht die Marke, die vorgibt, wie es gemacht werden sollte. Ich glaube aber, dass sich die Anforderungen an Hospitality gerade durch Corona geändert haben. Remote-, aber auch Boutique-Konzepte, bei denen es weniger um die Exklusivität der Zimmer als vielmehr darum geht, wie viele andere Menschen mich an einem Ort umgeben, werden weiter an Bedeutung gewinnen. Da hat die Pandemie andere Anforderungen und Sehnsüchte an uns herangetragen. Themen wie Nachhaltigkeit oder vegane Ernährung spielen ebenfalls eine größere Rolle.
Wie wichtig sind strategische Neuausrichtungen?
Sehr wichtig. So resultierte etwa die in diesem Jahr erfolgte Aufgabe des Frankfurter Lindley als großer Hotelbetrieb mit 100 Zimmern aus der Frage: Quo vadis, welchen Themen wollen wir uns in Zukunft widmen, was für eine Brand sind wir und mit welchem Fokus?
Sie sprechen oft von Ihrem tollen Team, wie kommen Sie an die Leute?
Uns war bereits 2012 klar, dass wir nicht nur Mitarbeiter suchen, die Hospitality-Erfahrung haben, und wir haben uns die Möglichkeiten nie durch Mindestanforderungen wie „mindestens zehn Jahre Frontoffice-Erfahrung“ et cetera verbaut. Das gilt bis heute. Wer auch immer den Umgang mit Menschen liebt, wer auch immer Lust hat, sich zu entwickeln, wer auch immer Einsatz zeigt, bekommt eine Chance. Dadurch haben wir Menschen gewonnen, die sich von der Denkweise unseres Unternehmens angezogen fühlen. Es gibt auch mal Personalwechsel, doch weitgehend arbeiten wir immer noch mit den Teams zusammen, mit denen wir gestartet sind. Auch auf Bali, das ist ein großes Kompliment.
"Eine unserer Stärken besteht darin, angstfrei Visionen zu spinnen."
Denise Omurca
Auf Bali arbeiten Sie umweltfreundlich mit eigener Permakultur, regionalen Produkten, eigenen Sonnenkollektoren. Wie lässt sich dieser nachhaltige Gedanke mit dem Thema Fernreiseziel vereinbaren?
Gar nicht. Im Lindenberg-Kontext heißt das: Wir tun, was wir können. Nachhaltigkeit fängt ja nicht nur bei heimischen Hölzern an. Es geht auch um die Teamstrukturen oder die Frage: Wie gestalte ich mein eigenes Leben? Wir haben einige Entscheidungen getroffen, die nachhaltig sind, andere sind es aber noch immer nicht. Vollends nachhaltig ist vermutlich nur, wer gar nichts mehr baut und die Füße stillhält. Wir haben uns vor drei Jahren entschieden, uns mit dem Greensign zertifizieren zu lassen, weil dieses den gesamten ESG-Bereich in Bezug auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung umfasst.
Welche Rolle spielt der Community-Gedanke heute?
Er ist nach wie vor wichtig, gerade wenn wir über eine längere Aufenthaltsdauer nachdenken. Der Schlüssel ist aber immer die Freiheit der Möglichkeiten. Es gibt sicherlich nichts Gruseligeres als ein Community-Konzept, das Leute zwingt, Zeit miteinander zu verbringen. Ebenso ist erzwungene Einsamkeit nichts Schönes. Es geht darum, Optionen zu bieten. Im Lost Lindenberg laden wir jeden Abend zur gleichen Zeit zum Lagerfeuer ein, und wer Lust hat, ist dabei. Die Gäste wissen, sie bekommen ihre Kokosnuss oder ihren Gin Tonic mit Sonnenuntergang am Strand. Dabei entwickeln sich auch Dynamiken. Es ist doch schön, wenn ich weiß, ich treffe meinen Sitznachbarn von gestern heute wieder und wir können uns erzählen, wie der Tag war. Ich muss aber auch nicht hingehen, ich kann mir genauso einen Reis aufs Zimmer bestellen oder allein an der Bar sitzen. Die Magie ist die Auswahl an Möglichkeiten und das Kuratieren.
Würden Sie sich selbst als visionäre Unternehmerin bezeichnen?
Nein, weil ich mich bei Lindenberg nicht als Individuum sehe. Lindenberg Hospitality wird von mehreren Menschen getragen, die auch von Projekt zu Projekt wechseln. Ich bin Teil einer visionären Gruppe und habe das große Glück, mit tollen Teams zusammenarbeiten zu dürfen.
Das Interview mit Denise Omurca ist in Tophotel-Ausgabe 12/2024 erschienen:
