#Monotalk Alexander Aisenbrey über Verbandsengagement

Alexander Aisenbrey führt seit 2013 die Geschäfte im Fünfsterne-Superior-Resort Der Öschberghof in Donau­eschingen. Seit vielen Jahren engagiert er sich darüber hinaus in zahlreichen Berufsverbänden für die Branche, etwa als Vorsitzender der Initiative Fair Job Hotels oder als Mitinitiator der Denkfabrik Union der Wirtschaft. Mit Tophotel sprach er über seine Motivation als Vorkämpfer, weshalb es enger zusammenzurücken gilt und über sein Bemühen um eine erleichterte Zuwanderung von Fachkräften. Tophotel: Herr Aisenbrey, waren Sie als junger Mensch schon in Vereinen aktiv oder haben Sie sich erst später für Verbände interessiert? Alexander Aisenbrey: Ich war überhaupt kein Vereins­mensch. Doch ich war schon immer ein Freund gemeinschaftlichen Handelns für sinnvolle Ziele. Heute ist es mein primäres Ziel, den Öschberghof erfolgreich weiterzuentwickeln. Voraussetzung dafür sind Veränderungen in der Branche, für die sich Verbände engagieren und vor allem zusammentun müssen. Könnte es nicht sein, dass Sie die Branche durch Ihre Verbandsgründungen eher splitten als vereinen? Das Gegenteil ist unsere Intention. Meine große Vision ist es, die Branche in ihrer Gesamtheit zusammenzubringen und als Wirtschaftsfaktor abzubilden. Genau das hat uns zur Gründung der Denkfabrik Union der Wirtschaft bewegt. Bereits in meiner früheren Funktion als HDV-Vorsitzender habe ich versucht, zwischen den Verbänden Verbindungen herzustellen. Wir haben Veranstaltungen gemeinsam mit der FBMA und HSMA durchgeführt oder Vertreter von Dehoga und IHA mit in unsere Veranstaltungen eingebunden. Doch am Ende verlief vieles davon im Sand. Auch mir wäre es lieber, die etablierten Verbände würden die Aufgaben umfassend lösen. Leider habe ich das Gefühl, dass sich die Branche derzeit mehr spaltet als je zuvor.
"Leider habe ich das Gefühl, dass sich die Branche derzeit mehr spaltet als je zuvor."
Woran liegt das? Die größte Herausforderung ist die Vielschichtigkeit unserer Gastwelt. Leider sind einige wichtige Positionen mit Ewig-Gestrigen und exzentrischen Menschen ausgestattet, die nur ihre Befindlichkeit leben. Ich habe für mich persönlich entschieden, mich nur noch mit Menschen zu umgeben, die fachlich und menschlich überzeugen und der gesamten Branche wertvolle Impulse bringen. Haben Sie ein Beispiel für das Ewig-Gestrige? Als wir vor sechs Jahren Fair Job Hotels gründeten, wurden wir von einigen von vornherein totgesagt. Ihre Argumentation: „Wir tun doch bereits alles, was man auf diesem Gebiet unternehmen kann, warum brauchen wir neue Initiativen?“ Wenn das so wäre, hätte die Branche wohl keine Probleme bei der Besetzung ihrer Stellen. Heute haben wir bei Fair Job Hotels mehr als 100 Mitglieder und schreiben eine stete agile Erfolgsgeschichte. *Anm. d. Red.: Der Podcast wurde bereits vor ein paar Monaten aufgezeichnet. Wenn sich die Branche zunehmend spaltet, ist die Denkfabrik dann bereits gescheitert? Als junge visionäre Initiative macht die Denkfabrik schon nach kurzer Zeit große Fortschritte, das Scheitern wird uns von einigen anderen in den Mund gelegt, aber unsere Idee ist es, die Vielschichtigkeit der Branche abzubilden – vom Acker bis zum Teller. Die Hospitality-­Industrie muss mit einer größeren Umsicht koordiniert werden. 17 Dehoga-Landesverbände, ein Bundesverband, die IHA, 79 IHKs, DIHK, HSMA, HDV, Fair Job Hotels, Verband der Köche, Leadersclub, eine Vielzahl von verschiedenen Tourismus-, Caterer-, Zuliefererverbänden und so fort: Jeder arbeitet für sich. Mit der Denkfabrik haben wir etwas geschaffen, das Einfluss nehmen kann. Wir zählen inzwischen 36 touristische Verbände zu unseren Mitgliedern, darunter auch die HDV und die HSMA. Viele Verbände engagieren sich um die Tagespolitik, die Denkfabrik versucht hier einen größeren Umgriff.

Mehr zum Thema:

Hat noch einiges vor: Marcel Klinge, Vorstandssprecher der Denkfabrik Union der Wirtschaft. © Denkfabrik Union der Wirtschaft
Branchenpolitik: Die Denkfabrik schreitet voran Die im vergangenen Jahr gegründete Denkfabrik Union der Wirtschaft geht neue Wege abseits der üblichen Lobbyisten-Trampelpfade. Unter Hochdruck arbeitet sie derzeit an der Krisenprävention für den Herbst. Jetzt lesen!  
  Zählen Sie zur Tagespolitik, dass sich der Dehoga stark für die dauerhafte Mehrwertsteuersenkung auf Speisen engagiert? Diese ist absolut notwendig, von ihr kann aber nicht die gesamte Gastwelt profitieren. In einigen Unternehmensbereichen wie dem Außer-Haus-Geschäft ist die Mehrwertsteuer ohnehin dauerhaft reduziert, in anderen Teilen wird sie keine Auswirkungen haben. Wenn wir im Interesse der Politik stehen wollen, müssen wir das gesamte Narrativ abbilden. Wie wirtschaftlich bedeutsam wir zusammen sind, zeigt eine gemeinsam von der Denkfabrik und dem Fraunhofer Institut erarbeitete Studie. Ich konnte bereits einen Blick hineinwerfen. Das Ergebnis wird dazu aufrufen, wieder enger zusammenzurücken. Sie haben sich intensiv mit den Branchenverbänden auseinandergesetzt, welche schätzen Sie besonders? Ich gebe jedem Verband eine subjektive Chance und versuche einen Platz für mich zu finden. Ich bin Mitglied im Dehoga, der IHA, der HDV, im Leaders Club und in der HSMA. Ich finde es großartig, wenn sich Menschen in ihrer Freizeit gemeinnützig für die Branche einsetzen, und ich wertschätze ihre Arbeit. Sehr viel Spaß haben mir die sechs Jahre im Vorstand der HDV gemacht. Die HDV ist ein toller Verband, dessen Inhalte aber eher ein persönlicher Austausch von Informationen und die Weitergabe von Lebenshilfen für den operativen Betrieb sind. Ähnlich war das bei der FBMA, deren Aus ich sehr bedauere. Das lag am Ende wohl daran, dass die Zahl der F&B-Manager abgenommen hat. Sie und andere haben noch F&B-Manager. Hätte man diesen Verband vielleicht kleiner und elitärer weiterführen können, anstatt ihn zu verwässern? Ich weiß nicht, ob das eine Lösung gewesen wäre. Ich bedauere jedenfalls, dass es die FBMA nicht mehr gibt und hätte gern eine Alternative für meinen F&B-Manager. Motivieren Sie Ihre Mitarbeitenden zu Verbandsmitgliedschaften? Mein Hotelmanager ist in der HDV und im Dehoga, unsere HR-Managerin ist bei Fair Job Hotels, unser Marketing ist in der HSMA. Wissen ist der größte Vorteil. Verbände vermitteln Wissen. Die Denkfabrik engagiert sich stark für die Entschlackung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. Hat die Politik die Notwendigkeit inzwischen begriffen? Es ist tatsächlich Bewegung in die Fachkräfteeinwanderung gekommen. Ohne sie wird sich unser Land nicht weiterdrehen. Bis 2036 fallen knapp 30 Prozent der derzeitigen Erwerbstätigen weg, weil die Babyboomer-­Generation in Rente geht. Das lässt sich nicht ohne Mitarbeitende aus dem Ausland kompensieren. Immerhin hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil inzwischen Pläne für die einfachere Zuwanderung von ausländischen Fachkräften nach Deutschland vorgelegt. Wie sich das in der Praxis gestaltet, muss man sehen. Wie weit ist Fair Job Hotels hier, werden neue Märkte erschlossen? Wir sind gerade eine Kooperation mit den besten Universitäten Thailands eingegangen. Ich war mit Fair-Job-­Hotels-Geschäftsführerin Maria Mittendorfer und der IST-Hochschule für Management vor Ort. Die Qualität der Tourismusuniversitäten dort ist hervorragend. Ich habe 50 Gespräche mit Bachelor-Studierenden geführt und wollte 49 direkt mitnehmen. Alle sprechen hervorragend Englisch und sind höchst motiviert. Außerdem waren wir mit dem Thamm-Projekt der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Ägypten. Das Arbeitsamt und die GIZ äußerten den Wunsch, dass wir das Projekt dauerhaft begleiten. Denn diese Agenturen können zwar werben, aber nicht vermitteln. Das wiederum können wir. Weiterhin sind wir in China, Indien, Südtirol, Ungarn und Griechenland unterwegs. Ständig kommen neue Destinationen dazu.

Mehr zum Thema:

Fair job Hotels HR Connect
Die Teilnehmer des HR Connect. © Denkfabrik Union der Wirtschaft
Fair Job Hotels: Impulse für eine zeitgemäße Führung in der Hotellerie Die Initiative Fair Job Hotels organisierte mit HR Connect ihre erste Veranstaltung für Personalverantwortliche. Und einen Austausch zu Themen, die alle betreffen. Jetzt lesen!    
  Wie ist es um den Nachwuchs hierzulande ­bestellt? Ein Problem des Fachkräftemangels ist unser duales Ausbildungssystem, das über Jahrzehnte hinweg ein Aushängeschild war. Aber die Welt hat sich geändert. Jedes Jahr gibt es rund 220.000 Abiturienten, die ­keine Ausbildung machen wollen. Sie stürzen sich auf die mehr als 300 Bachelor-Studiengänge. Ich beschäftige inzwischen 35 Bachelor-Studierende. Sie arbeiten vier Tage in der Woche, haben einen Lerntag und zwei Tage frei. Das funktioniert hervorragend. Aber von einigen Institutionen kommt die Kritik: „Wir brauchen nicht nur Chefs.“ Ich kann Ihnen beteuern: Es werden nicht alle Chefs und vor allem nicht sofort. In all unseren Abteilungen, ob Housekeeping, Empfang oder Restaurant, arbeiten Bachelor-Absolventen, denen diese Berufung einfach Spaß macht. Ein gezieltes Marketing muss für die duale Ausbildung in den Realschulen stattfinden. Dort kann man Schülerinnen und Schülern aufzeigen, dass sie nach einer Ausbildung bei uns Abiturstatus ­haben und sogar studieren können. Eine Lösung, mehr Hauptschüler in den Beruf zu bringen, könnte nur über die Lockerung der Arbeitsbedingungen gelingen. Kein Hotel kann einen 15-Jährigen bei der jetzigen Gesetzeslage bedenkenlos beschäftigen. Was ärgert Sie besonders an der Branche? Dass sie sich selbst immer wieder schlecht redet. Unsere Arbeitszeiten gibt es auch Polizei, Feuerwehr und im Gesundheitswesen, darüber spricht keiner. Viel sinnvoller wäre es, wenn wir positiv über unsere Branche reden würden. Je öfter wir die positiven Seiten unserer Branche aufzeigen, umso mehr glauben die jungen Menschen daran. Was ist das Wichtigste, um Mitarbeitende zu halten? Wir müssen ein Magic-Moment-Mindset nicht nur für die Gäste, sondern auch für die Gastgebenden entwickeln und dieses ständig an die herrschende VUCA-Welt* amnzupassen. Sehr wichtig ist auch die regelmäßige Kommunikation mit jedem einzelnen von ihnen. Wenn wir zum Beispiel erfahren haben, wo der Schuh drückt, dann müssen wir auch handeln. Wir können nicht alles lösen, aber wir müssen zeigen, dass wir sie ernst nehmen und gegebenenfalls auch erklären, weshalb wir an ihrer Situation zu diesem Zeitpunkt nichts ändern können. *Anm. d. Red.: VUCA ist ein Akronym für die englischen Begriffe volatility ‚Volatilität‘, uncertainty ‚Unsicherheit‘, complexity ‚Komplexität‘ und ambiguity ‚Mehrdeutigkeit‘ Zurück zum Verbandsleben, welchen prozentualen Anteil Ihrer Arbeitszeit nimmt es ein? Ich kann das nicht beziffern. Ich mache das für die Gastwelt, doch in erster Linie für den Öschberghof. Über eine 40-Stunden-Woche denke ich nicht nach, weil Motivation und Leidenschaft keinen Feierabend haben. Die Hotellerie ist meine Leidenschaft und ich danke jedem, der meine Leidenschaft mit mir teilt.

Dieser Beitrag könnte Sie auch interessieren:

Monotalk Inklusion
Christian Etl sieht vor allem Fehl­informationen als Hinderungsgrund, Menschen mit Beeinträchtigung einzustellen. © Denkfabrik Union der Wirtschaft
#Monotalk: Christian Etl über Inklusion in der Hotellerie Der Berater plädiert dafür, dass Inklusion in der Hotellerie zur Normalität wird. Er hält dies nicht nur für möglich, sondern sieht vielmehr die Chancen, die eine solche Ausrichtung bietet. Jetzt lesen!