#Monotalk Marcus Fränkle über Mitarbeiterorientierung

Marcus Fränkle Zitatbild
Marcus Fränkle ist seit 2006 Geschäftsführer des Hotels Der Blaue Reiter in Karlsruhe. Er ist überzeugt: Glückliche Mitarbeiter sorgen für glückliche Gäste. © Hotel Der Blaue Reiter

Marcus Fränkle, Geschäftsführer des Hotels Der Blaue Reiter in Karlsruhe, ist in der Branche auch als Berater tätig und engagiert sich bei Fair Job Hotels, in der Denkfabrik Union der Wirtschaft und der HDV. Im vergangenen Jahr gewann er mit dem Blauen Reiter den HDV-Award 2021 für exzellente Ausbildung und den Hospitality HR Award. Im Tophotel-Gespräch erläutert er sein System der Mitarbeiterorientierung.
Tophotel: Herr Fränkle, Sie sind in der Branche für Ihre Mitarbeiterführung bekannt. Was war für Sie die ­Initialzündung, sich diesem Thema besonders zu widmen?
Marcus Fränkle: Das eine Ereignis gibt es nicht, aber schon während meiner eigenen sehr schönen Lehr- und Wanderjahre erlebte ich immer wieder Situationen, die ich als nicht optimal empfunden habe. Zudem sind Arbeitsbedingungen und Bezahlung im Gastgewerbe bekanntlich schon lange nicht mehr optimal. Mir war bewusst, dass wir vor großen Problemen stehen werden, auch aufgrund des demografischen Wandels.
Wann haben Sie damit begonnen, Mitarbeiterorientierung systematisch in Ihrem Betrieb umzusetzen?
Nachdem ich in unserem Betrieb eingestiegen war, wurde ich – auch durch Gespräche mit Kollegen – darauf aufmerksam, dass unsere Branche im Bereich Mitarbeiter nicht weiter abgehängt werden darf. Es gab in unserem Betrieb keine Not, dennoch brachte ich 2013 unser sieben-Säulen-Modell auf den Weg.

Was haben Sie dafür unternommen?
Zunächst habe ich mit meinen Mitarbeitenden Gespräche geführt und sie gefragt, was ihnen an ihrer Arbeit nicht gefällt. Sie waren zuerst sehr zurückhaltend, aber dann kamen doch einige Punkte zusammen, und ich habe gemeinsam mit meiner Stellvertreterin Judith Baumgärtner und später mit unserer Marketingleiterin Svenja Dischler unsere sieben Säulen für zufriedene Mitarbeitende entwickelt.
Wie sieht dieses Modell konkret aus?
Wir haben die Säulen Gesundheit, Sicherheit, Wissen, Freizeit, Soziales, Finanzen und Extras definiert. Die Säulen sind entfernt angelehnt an die Maslowsche Bedürfnispyramide. Der Bereich Finanzen ist erst im unteren Drittel angesiedelt. Denn es sollte selbstverständlich sein, dass Menschen, die bei uns arbeiten, mit dem Geld auch ihr Leben bestreiten können. Wenn das nicht gegeben ist, nützen auch die schönsten Benefits nichts. Es gibt leider tatsächlich noch Betriebe, die denken, dass sie durch Benefits allein als Arbeitgeber attraktiv werden, das funktioniert aber nicht.
Was halten Sie Kollegen entgegen, die meinen, dass dies nicht leistbar sei?
Wer das nicht zahlen kann, muss sich auch fragen, ob sein Produkt richtig am Markt platziert ist. Wenn wir es alle nicht schaffen die Preise zu erhöhen, wird die Hotellerie in allen Segmenten nachlassen, und das vor allem im Service.
Haben Sie an Ihren Säulen schon Leistungen verändert?
Sie sind kein starres System, sondern können angepasst werden. Ein Bestandteil war zum Beispiel, dass Mitarbeitende möglichst zwei zusammenhängende Tage frei bekommen sollten. Das löst heute nur noch ein müdes Lächeln aus und sollte selbstverständlich sein. Gerade ist die auch bei uns vor kurzem eingeführte Viertagewoche sehr angesagt. Neu eingeführt haben wir im Laufe der Zeit auch eine betriebliche Altersvorsorge, in die wir einbezahlen und der Mitarbeitende freiwillig zuzahlen kann.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Ich bin jeden Tag im Betrieb oder mit den Führungskräften verbunden – aber mehr als Coach und Strategieent­wickler. Mein Team und ich machen fast täglich etwas anders, wir hinterfragen Abläufe, probieren Dinge aus. Wir machen Veränderungen aber auch schnell wieder rückgängig, wenn wir merken, dass sie nicht funktionieren. Wir wollen nicht in eine Einbahnstraße geraten. Diese täglichen Veränderungen, unser gesamtes Tempo ist nicht immer einfach für die Mitarbeitenden.
Ich halte mich aus dem Tagesgeschäft heraus, weiß über unser Reporting-System aber immer, wie der Betrieb gerade läuft, welche Gäste an- oder abreisen oder welche VIPs wir erwarten. Ansonsten ist mein Umgang mit den Mitarbeitenden eher intuitiv und auf Augenhöhe. Zu verrückt darf der Führungsstil auch nicht sein, deshalb umarmen wir uns nicht täglich und führen auch keine Tänze auf. Mit einigen Mitarbeitenden bin ich per Du, mit anderen per Sie, ganz wie es sich aus der Betriebszugehörigkeit oder der Situation ergeben hat.
Damit liegt der direkte Umgang mit jungen und neuen Mitarbeitenden bei den Abteilungsleitern, wo in der Branche aber gerade oft der Schuh drückt.
Das ist richtig. Die größte Herausforderung ist das mittlere Management. Das ganze System funktioniert nicht, wenn es Führungskräften aus den obersten Reihen nicht gelingt, ihre Vision an dieses weiterzugeben. Da muss ich immer sehr viele Gespräche führen. Die soziale Kompetenz des Mittelmanagements ist nicht immer perfekt, da muss mehr gefördert beziehungsweise dran gearbeitet werden. Grundsätzlich erwarte ich von allen meinen Mitarbeitenden Höflichkeit und Motivation. Ich bin trotz allen Vorteilen, die wir bieten, ein anspruchsvoller Chef und setze Stringenz und Einsatz voraus.
Wo bleibt bei all der Mitarbeiterorientierung der Gast?
Unsere Gäste sind glücklich und zufrieden, das lässt sich an unseren Bewertungen erkennen. Wenn die Mitarbeitenden glücklich und zufrieden sind, können sie sich voll und ganz auf die Gäste konzentrieren.
Wie reagieren Sie, wenn es dennoch zu einem Konflikt zwischen Mitarbeitenden und Gästen kommt?
Ich höre mir immer beide Seiten an. Wenn aber ein Gast übergriffig wurde, sexuelle oder rassistische Anspielungen macht, dann ist er gleich draußen. Es gibt natürlich auch mal Gäste, die nicht zu unserem Haus passen oder unser Konzept nicht gut finden. Ihnen sage ich persönlich, dass wir ihnen behilflich bei der Suche nach einer für sie geeigneten Unterkunft sind. Der Mitarbeitende wiederum darf aber auch nicht das Gefühl haben, dass er jeden Gast, der ihm nicht passt, einfach rauswerfen kann.
Ich bin der direkte Ansprechpartner bei derartigen Konflikten und merke schnell, ob der Gast vielleicht doch nicht im Unrecht oder ob er eventuell ein Choleriker ist. Konflikte entstehen oft aus Missverständnissen und können bei uns in der Regel zum Vorteil beider Seiten gelöst werden. Ich werde aber auf keinen Fall zulassen, dass mir ein notorisch nörgelnder Gast den ganzen Teamspirit verdirbt. Gleiches gilt auch für Mitarbeitende, die schlechte Stimmung verbreiten. Einer davon genügt, um ein ganzes Team zu zerstören. Von solchen Kollegen trennen wir uns lieber.
Wie steht es um die Fluktuation in Ihrem Haus?
Sie ist nicht besonders hoch, vor allem können wir Stellen immer wieder aus den eigenen Reihen gut besetzen. Ich möchte es intern vermeiden, meinem Team einen betriebsfremden Abteilungsleiter vor die Nase zu setzen. Wenn uns Mitarbeitende verlassen, dann in der Regel nicht zu anderen Hotels, sondern in andere Branchen. Viele unterstützen uns immer wieder als Aushilfen.
Wie wird sich die Mitarbeitersituation in der Branche Ihrer Meinung nach entwickeln?
Ich sehe viele positive Tendenzen, es wurde noch nie so viel für Mitarbeitende getan wie in den vergangenen drei bis vier Jahren. Allein im letzten Jahr gab es einen riesigen Anstieg in der Bezahlung. Ich sage immer: Jetzt ist die beste Zeit für den Einstieg in die Hotellerie, denn nach der Ausbildung werden die Bezahlung und Behandlung fairer sein denn je.


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Interview: Susanne Stauß