Azubis zu finden, ist eine der großen Herausforderungen der Hotelbranche. Tophotel hat Hotelchefs und HR-Leiter gefragt, wie die diesjährige Bewerbungsphase läuft und wie es um ihre Azubi-Zahlen bestellt ist.
Die Hotelbranche steht auch in diesem Jahr wieder vor der großen Aufgabe, Nachwuchskräfte zu gewinnen. Trotz intensiver Bemühungen und kreativer Maßnahmen kämpfen viele Hotels weiterhin um geeignete Auszubildende. Hotelinhaber und HR-Verantwortliche aus der Hotellerie über den momentanen Stand bei der Nachwuchsgewinnung, Ideen, wie sich junge Menschen für die Branche begeistern lassen und das Phänomen "Azubi-Ghosting".
Wie läuft die Bewerbungsphase 2024?
Die Branche habe es grundsätzlich schwer, Nachwuchskräfte zu gewinnen, so Daniel Reuner, Inhaber und Geschäftsführer des Flair Hotel Reuner. Das zeige sich auch daran, dass Hotelfachschulen schließen oder Berufsschulzentren zusammengelegt werden. So geschehen etwa bei der Fritz-Gabler-Hotelfachschule in Heidelberg, die mit der Marie-Baum-Schule fusioniert wurde. Reuner selbst sucht zum Ausbildungsstart noch Verstärkung für "Küche und Service". "Dabei sind wir nicht rein auf die Ausbildungsberufe für Köche und Restaurantfachleute fixiert, sondern auch offen für eine Ausbildung im Bereich ´Fachkraft Küche´ oder ´Fachkraft für Gastronomie´", so der Hotelier.
Auch andere stehen vor ähnlichen Herausforderungen. "Die Nachwuchsgewinnung ist für dieses Jahr vergleichsweise zäh angelaufen, hat aber ab April Fahrt aufgenommen", bestätigt Mario Reincke, Geschäftsführer bei der Fleesensee Hotelbetriebsgesellschaft. Einzelne Bewerbungen seien durch Eigeninitiativen von potenziellen Kandidaten hereingekommen. Die Zusammenarbeit mit Agenturen wie AHA Aupair oder der GEDU habe geholfen, weitere Stellen zu vermitteln. Das Unternehmen konnte für das Schloss Fleesensee drei Ausbildungsstellen zur Hotelfachfrau/-mann und zwei im Bereich Restaurant- und Veranstaltungsgastronomie besetzen sowie eine Fachkraft für Gastronomie, drei Koch-Azubis und zwei Fachkräfte für die Küche einstellen. "Zusätzlich bilden wir dieses Jahr eine Konditorin aus, hierfür konnten wir eine Auszubildende gewinnen." Für das Beech Resort Fleesensee konnten eine Hotelfachkraft, drei Köche und vier junge Talente für den Bereich Restaurant- und Veranstaltungsgastronomie gewonnen werden.
Dieter Fritsche, Hotelleiter des Göbel´s Seehotel Diemelsee, berichtet erfreut über die diesjährige Nachwuchssuche: "Gerade in diesem Jahr merken wir einen guten Zuwachs an Auszubildenden." Zwölf neue Lehrlinge, davon 50 Prozent mit Migrationshintergrund, hätten das Göbel´s Seehotel und das Romantik Hotel Stryckhaus, das zur selben Hotelgruppe gehört, gewinnen können. Ausgebildet wird in allen gastronomischen Berufen, von Köchen bis hin zu Hotelmanagern. In diesem Jahr starten 70 neue Auszubildende und Studenten bei der Göbel Hotelgruppe – insgesamt sind es erstmals 180 junge Menschen.
Diese positive Bilanz teilt Georg Plesser, geschäftsführender Direktor des Excelsior Hotels Ernst. "Wir konnten alle ausgeschriebenen Ausbildungsstellen besetzen. Insgesamt haben wir zwölf neue Auszubildende." Darunter sind zwei Stellen für Köche, eine für Konditoren, acht im Bereich Hotelfach und eine im Restaurant- und Veranstaltungsservice.
Ähnlich erfolgreich verlief die Nachwuchsgewinnung bei den Living Hotels, die 32 neue Azubis gewonnen haben. "In diesem Jahr konnten wir erfreulicherweise schon sehr viele Plätze sehr früh vergeben", so Sophia Pfundstein, Ausbildungsleiterin der Hotelgruppe. Insgesamt beschäftigen die Living Hotels dieses Jahr 92 Lehrlinge, das sind zehn mehr als vergangenes Jahr. Überwiegend bildet das Unternehmen Hotelfachleute aus, "aber es werden auch zwei Koch-Azubis bei uns beginnen, worüber wir uns mächtig freuen", sagt Pfundstein.
Die Tristar GmbH bildet derzeit in 16 Betrieben die Berufe Hotelfachkraft, Restaurantfachkraft und Koch aus. Für diese Stellen konnte das Unternehmen einige junge Talente unter Vertrag nehmen, so Head of People & Culture Europe Christian Stein-Kalesky. "Im derzeitigen Recruiting-Prozess haben wir bis dato 25 Einstellungen vorgenommen. Im Sommer werden acht Auszubildende bei uns starten", sagt Stein-Kalesky. Die Bewerbungsphase sei aber noch andauernd und vielversprechend.
Zufrieden mit der Bewerbungsphase zeigt sich auch Barbara Möck, Leiterin Human Resources im Hotel Ritter Durbach. "Wir sind auf einem guten Weg, alle Plätze zu besetzen", so Möck. Je Ausbildungsberuf – Küche, Hotelfach und Restaurant- und Veranstaltungsgastronomie – sei noch eine Stelle offen. Doch auch in den vergangenen Jahren seien im August oder September noch Bewerbungen hereingekommen.
Azubi-Recruiting: Strategien und innovative Maßnahmen
Um potenzielle Auszubildende anzusprechen, haben sich die Hotels verschiedene Ideen und Maßnahmen einfallen lassen. Die Ansätze reichen vom modernen Führungsstil über eine familiäre Atmosphäre bis hin zu flachen Hierarchien.
Das Excelsior Hotel Ernst, das Hotel Ritter Durbach, die Fleesensee-Hotelbetriebsgesellschaft und die Livings Hotels haben beispielsweise das Angebot an Praktika ausgeweitet, waren bei Karrieremessen aktiv und haben das Netzwerken an Schulen intensiviert. "Das kommt richtig gut an, weil die jungen Leute so für einen individuell festgelegten Zeitraum einen ersten, echten Eindruck vom bunten Hotelalltag bekommen, sich mit dem Team vor Ort austauschen und jederzeit Fragen stellen können", erläutert Sophia Pfundstein. Bei den Living Hotels habe sich dieses Engagement bereits bezahlt gemacht. Für dieses Jahr konnte so eine Nachwuchskraft in Berlin gewonnen werden.
Ein besonderes Projekt der Living Hotels ist das "Azubi-Hotel". Auszubildende ab dem zweiten Lehrjahr haben hier die Möglichkeit, für sechs Wochen das Living Hotel Berlin Mitte eigenverantwortlich zu führen. Dieses Projekt, das auch in den sozialen Medien begleitet wird, stärke das Selbstbewusstsein und Wissen der Azubis und erfreue sich großer Beliebtheit. Gleichzeitig soll es junge Talente für eine Ausbildung bei den Living Hotels begeistern. "Diesen Oktober starten wir mit der zweiten Runde, da unser Projekt im vergangenen Jahr ein großer Erfolg war", sagt Pfundstein.
Auch monetäre Anreize wie mietfreie Wohnungen, kostenfreie Verpflegung oder Rabatte können die Attraktivität der Ausbildungsplätze erhöhen. Tristar setzt unter anderem auf eine Empfehlungsprämie. "Grundsätzlich profitieren unsere Auszubildenden von denselben Benefits, die auch für fest angestellte Mitarbeitende gelten", so Christian Stein-Kalesky. Dazu zählen eine übertarifliche Entlohnung, 30 Urlaubstage, Mitarbeiterrabatte oder ein Jobrad.
Zu kurz kommen darf natürlich nicht die individuelle Betreuung und das Arbeitsklima. Hotelchef Daniel Reuner betont, dass langfristige Perspektiven und ein familiärer Umgang wichtig seien: "Wir bieten quasi eine Rundum-Versorgung – von der Verpflegung bis hin zu Wohnmöglichkeiten auf dem Hotelgelände. Bei uns geht es sehr familiär zu, bei der Arbeitsplanung versuchen wir stets individuelle Wünsche zu berücksichtigen." Barbara Möck vom Hotel Ritter Durbach ergänzt: "Wir haben uns gegen materielle Geschenke bei der Einstellung entschieden. Wir möchten, dass unsere Auszubildenden aus Überzeugung kommen, denn nur dann bleiben sie auch."
Ausbildungsstart: Das richtige Onboarding ist das A und O
Damit der Start in das Berufsleben gut gelingt und sich die Azubis im Hotelbetrieb direkt willkommen fühlen, kommt es auch auf das richtige Onboarding an. "Wer bei uns startet, lernt in den ersten Tagen erst einmal den kompletten Betrieb kennen. Außerdem stellen wir unseren Auszubildenden immer einen unserer älteren Azubis als Pate zur Seite, um besser bei uns anzukommen", beschreibt Daniel Reuner das Vorgehen in seinem Hotel.
Ähnlich läuft es im Excelsior Hotel Ernst ab. „In den ersten drei Tagen werden unsere Auszubildenden an gemeinsamen Einführungstagen mit unserem Hotel vertraut gemacht. Jedem Auszubildenden wird ein Pate aus einem höheren Lehrjahr zugewiesen, der dann für die Zeit der Ausbildung als Vertrauensperson und Ansprechpartner zur Verfügung steht", berichtet Georg Plesser. In diesen Tagen erhalten die Auszubildenden einen ersten Einblick in die verschiedenen Abteilungen des Hotels, lernen die 161-jährige Geschichte kennen und können gemeinsam ein Essen im hoteleigenen Restaurant genießen.
Sophia Pfundstein betont ebenfalls die Bedeutung einer intensiven Einführung: „In den ersten Tagen werden die Azubis in den Häusern in sämtliche Bereiche eingeführt und die relevantesten Inhalte wie Strukturen, Abläufe oder auch vermeintlich einfache Dinge, wie ‚wie finde ich mich in einem größeren Haus zurecht‘", sagt sie. Außerdem findet in den ersten Wochen ein kettenweites Azubi-Onboarding statt, bei dem alle neuen Lehrlinge für zwei Tage zusammenkommen, sich untereinander und das Unternehmen kennenlernen sowie Informationen zu wichtigen Ausbildungsthemen erhalten.
Christian Stein-Kalesky von der Tristar Hotelgruppe beschreibt ein ähnlich aufgebautes Onboarding: Die ersten zwei Arbeitswochen werden bereits vor dem Start klar strukturiert und vorab an die Auszubildenden kommuniziert. "In den ersten Tagen werden die wichtigsten Schulungen zur Arbeitssicherheit, Systemeinführungen und das interne Kommunikationstool durch einen Paten näher erläutert", so Stein-Kalesky.
Auch Barbara Möck vom Hotel Ritter Durbach legt großen Wert auf die ersten Tage der neuen Azubis: „Die ersten drei Tage nennen sich bei uns die ‚Kick-off-Tage‘. An diesen dreht sich im Hotel alles um die neuen Azubis und wir haben viel Zeit, um uns gegenseitig kennenzulernen, die Umgebung zu erkunden und Fragen zu beantworten. Ergänzt wird der Einstieg mit einem Galaabend von Azubis für Azubis, der auch immer für die älteren Auszubildenden ein absolutes Highlight ist.“
Azubi-Ghosting: Ein Problem in der Hotellerie?
Einer aktuellen Studie zum Thema „Azubi-Recruiting-Trends zufolge, brechen 15 Prozent der Bewerber nach einer Zusage den Kontakt zum Betrieb wieder abbrechen. Zwölf Prozent der befragten Jugendlichen haben schon einmal vor dem Abschluss des Ausbildungsvertrags ein Unternehmen "geghostet", und drei Prozent danach. Gibt es dieses Phänomen auch in der Hotellerie?
Eine Frage, die Dieter Fritsche von den Göbel Hotels bejaht. Auch sein Hotel sei schon von "Azubi-Ghosting" betroffen gewesen. "In meinen Augen kommt die Berufsfindung in den Schulen zu kurz, daher kommt es zum ´Ghosten´", so der Hotelier. Die künftigen Azubis seien sich nicht schlüssig, ob der gewählte Beruf wirklich der richtige ist. Ähnlich sieht das Daniel Reuner, dem das Phänomen nicht unbekannt ist. "Das Thema zeigt, das sich der Wettbewerb um Nachwuchskräfte gerade auch zwischen den Branchen verschärft hat. Hinzu kommt unsere schnelllebige Zeit mit vielen Ablenkungen und teils großer Unentschlossenheit bei den jungen Leuten", so der Hotelier.
Ähnliche Erfahrungen hat auch das Hotel Ritter Durbach gemacht. "Es kam vor, dass Bewerber nach dem bei uns verpflichtenden Praktikum mit anschließendem Vorstellungsgespräch und einer Zusage unsererseits nicht mehr auf E-Mails oder Anrufe reagiert haben", berichtet Barbara Möck. Auch im Recruiting-Prozess von Fachkräften und Hilfsarbeitern sei dies schon vorgekommen.
Im laufenden Bewerbungsprozess hat Sophia Pfundstein ebenfalls vereinzelt solche Fälle erlebt. "Wenn wir aber über konkrete Vertragsunterzeichnungen sprechen, dann kommt ein Rückzieher höchst selten vor. Seit ich im Unternehmen bin, hatte ich noch keinen derartigen Fall."