Immer mehr Hotels nutzen smarte Tools. Doch beim Einsatz von KI gibt es viele Herausforderungen. Dazu gehören nicht nur rechtliche Fragen, sondern auch Investitionskosten und das Verständnis für Technologie.
Künstliche Intelligenz ist in der Hotellerie angekommen. Besonders deutlich wurde das im März dieses Jahres bei der Reisemesse ITB und der Branchenmesse Internorga. Während sich bei der Reisemesse in Berlin zum ersten Mal ein eigener Kongress, der AI Track, um das Thema drehte, widmete die Internorga in Hamburg der „Artificial Intelligence“ ein eigenes AI Center, in dem sich Start-ups mit ihren Tools vorstellten. Die einhellige Meinung auf den Messen: Keine Organisation, kein Unternehmen komme mehr an KI vorbei. Viele Gastgeber setzen bereits Chatbots und ChatGPT ein, um mit ihren Gästen zu kommunizieren.
Das bestätigt eine Studie der Fachhochschule für Wirtschaft im Wallis in der Schweiz. Demnach setzen die meisten der 1.115 befragten Hotelbetriebe KI bereits ein, um wichtige Kennzahlen wie Belegungsraten und Rentabilität vorherzusagen. 38 Prozent nutzen KI-Tools schon, um Online-Kundenbewertungen zu analysieren und zu beantworten. 34 Prozent setzen KI im Echtzeit-Revenue-Management und bei der Personaleinsatzplanung ein. 19 Prozent nutzen ChatGPT und ähnliche Dienste, um Textinhalte zu erzeugen. Roboter, die Speisen zubereiten, das Geschirr abräumen oder Gäste massieren, sind noch die Ausnahme. Fortgeschrittene Technologien wie Gesichtserkennung und Hotelautomation befinden sich in der Entwicklungsphase, sagt der Geschäftsführer des Hotelverbands Deutschland (IHA), Tobias Warnecke.
Kettenhotels sind schon weiter
Warnecke meint: „Die Macht der KI und des maschinellen Lernens sind in der Hotellerie angekommen.“ KI-gesteuerte Systeme werden sich laut dem Experten auf viele Prozesse im Gastgewerbe auswirken, darunter Marketing und Vertrieb, personalisierte Dienstleistungen und Energiemanagement. „Bisher sind Kettenhotels und Hotels der gehobenen Kategorien bei der Integration von KI weiter, während sich kleinere Betriebe bei der Integration von künstlicher Intelligenz noch sehr zurückhalten.“ Warnecke sieht dringenden Bedarf an Aufklärung und Sensibilisierung der Branche. „Um die großen Potenziale für alle Hotelsegmente zugänglich und nutzbar zu machen, sind gezielte Changemanagement-Maßnahmen, intensive Schulungen und kontinuierliche Unterstützung unerlässlich“, betont er.
Die Macht der KI und des maschinellen Lernens sind in der Hotellerie angekommen. Für Gastgeber gilt es jetzt Vorteile und Kosten von KI genau zu prüfen und zu definieren.“
Tobias Warnecke, Hotelverband Deutschland (IHA)
„Zudem kommt der engen Zusammenarbeit zwischen Hotels und technischen Anbietern eine große Bedeutung zu. Nur so können maßgeschneiderte KI-Lösungen gefunden werden, die den individuellen Anforderungen der Hotels gerecht werden.“ Die Hauptsorge für die Gastgeber seien die hohen Investitionskosten. Das zeigten auch die Ergebnisse der Studie aus der Schweiz. Die größten Herausforderungen entstünden bei der Integration der KI in die bestehenden IT-Systeme. Außerdem sorgten sich die Gastgeber um den Datenschutz und die teils fehlende Akzeptanz bei ihren Mitarbeitenden. Bereiche wie Reservierung, Marketing und Customer Relations Management werden als besonders geeignet für die KI-Revolution angesehen.
Die Erwartungen der Gäste und der Fachkräftemangel machen es notwendig, dass sich Hoteliers moderne Tools und Systeme als Unterstützung für den Betrieb zulegen, um auf dem Stand der Technik zu bleiben. So hat zum Beispiel die Hotelgruppe Novum Hospitality seit dem Start von ChatGPT im November 2022 einige KI-Tools bei sich integriert. Chief Executive Officer und Owner David Etmenan sagt: „Aktuell setzen wir KI-basierte Tools und Systeme vor allem in unserem Hamburger Headquarter ein. Zum Beispiel unterstützend in der Gästekommunikation, in unseren Reservierungsabteilungen, im Revenue Management sowie im Marketing.“ In einigen Hotels gehörten inzwischen auch automatisierte Abläufe im Digital-Hosting und Rechnungsmanagement zum Betriebsstandard.
Chatbot ist Multitasking-Talent
Inzwischen unterstützen KI-Tool auch die Reservierungsabteilungen und den Service bei der Beantwortung eingehender Gästeanfragen. Ein KI-basierter Chatbot dient auf den Internetseiten der Hotelmarken von Novum Hospitality als Live-Assistent und ist rund um die Uhr erreichbar. „Der Bot ist ein Multitasking-Talent“, sagt Etmenan. Er kann auf verschiedenen Plattformen mit mehreren Gästen gleichzeitig kommunizieren und ihre Anfragen automatisiert beantworten. Der Chatbot ist außerdem in 109 Sprachen verfügbar und steht potenziellen Gästen vom Angebot bis zur Buchung mit Rat und Tat zur Seite. Die Dienste des KI-basierten Assistenten kommen auch dem Marketing zugute: Auf den Hotelwebsites, bei Facebook, Google Maps und in der Google-Suche.
Es ist wichtig, sich nicht allein auf KI zu verlassen. Das Zusammenspiel menschlicher und künstlich generierter Expertise bringt die erfolgversprechendsten Ergebnisse.“
David Etmenan, CEO Novum Hospitality
Außerdem unterstützen KI-basierte Systeme die Hotelgruppe im Content-Bereich. „Egal, ob es um die Text- oder Bilderstellung sowie deren Bearbeitung oder die Kampagnenplanung und -aussteuerung geht“, sagt Etmenan. „Dank KI-versierter Drittanbieter sind wir auch in Sachen Inhaltserstellung zukunftsfähig aufgestellt.“ Auch das zentralisierte Revenue Management profitiere vom Einsatz der KI. „Wir nutzen RMS-Programme und wenden KI-Algorithmen an.“ Das schließe auch die Marktanalyse mit ein, die KI-basierte Auskünfte über aktuelle Demands und die zu erwartenden Preisentwicklungen enthält.
Kein Ersatz für menschliches Know-how
Aus Sicht von Etmenan hat der Einsatz von KI in der Hotellerie viele Vorteile. „Während KI-basierte Chatbots für eine Entlastung unserer Mitarbeitenden sorgen und – dank schneller Kommunikation – gleichzeitig die Kundenzufriedenheit steigern, hilft uns die neue Art des „Dialogmarketings“, unterschiedlichen Gästebedürfnissen so maßgeschneidert wie möglich nachzukommen.“ Das wiederum sorge für eine sinnvolle Verschlankung der Guest Journey und unterstütze die Content-Kreation. Im Revenue-Bereich liefern KI-Tools unterdessen wertvolle Insights und erleichtern den Forecast. Trotzdem ist sich Etmenan sicher, dass „keine KI der Welt die Interaktion ersetzen kann, die es in einer menschlich zentrierten Branche wie der Hotellerie braucht.“ Und er betont: „Es ist besonders wichtig, sich nicht auf die Expertise der KI allein zu verlassen, oder sogar mit KI erstellte Inhalte in Gänze zu übernehmen und in Einsatz zu bringen.“ Wie so oft gelte auch in Sachen Unterstützung durch KI: „Die Mischung macht’s! Bei Novum Hospitality haben wir bisher die Erfahrung gemacht, dass das Zusammenspiel aus menschlicher und „künstlich generierter“ Expertise die erfolgversprechendsten Ergebnisse erzielt. Wir betrachten die KI keinesfalls als Allheilmittel oder Ersatz für menschliches Know-how, sondern vielmehr als smarte Bereicherung unseres täglichen Tuns.“
Den Überblick behalten
Um die richtigen KI-Tools zu finden, hat Novum Hospitality mit dem Dienstleister Dialogshift zusammengearbeitet. IHA-Geschäftsführer Warnecke unterstreicht, dass die Suche nach der idealen Umsetzung von KI nicht einfach und teilweise enorm zeitintensiv sei. „Endloses Durchforsten von Webseiten einzelner Anbieter und Besuche zahlreicher Fachmessen führen oft nicht zum gewünschten Ergebnis“, sagt Warnecke. Weil der Markt sich rasch entwickelt, fehle es oft auch an Vertrauen in die Technologiewahl. „Für die Hoteliers gilt es Vorteile und Kosten von KI mit Blick auf ihre Gästeklientel, ihren Standort und ihr Konzept genau zu prüfen und sauber zu definieren.“
Das sei entscheidend, um KI sinnvoll anzuwenden und nahtlos zu integrieren. Dann biete künstliche Intelligenz enorme Chancen für die Hotellerie, um Prozesse zu optimieren, so Warnecke. Auch aus seiner Sicht wird KI auf absehbare Zeit den Menschen nicht ersetzen. „Eher wird die Zusammenarbeit von Menschen und künstlicher Intelligenz selbstverständlich werden. Hotelmitarbeiter werden zu „Kümmerern”, die sich um die Wünsche und Anliegen der Gäste kümmern.“ Die Technologie werde die Fähigkeiten der Mitarbeitenden erweitern. „Sie wird ihnen Zeit geben für die menschliche Komponente im Service, die ein Herzstück der Branche ist.“
KI vielerorts noch in den Kinderschuhen
Auch bei den Adina Hotels ist man überzeugt, dass KI zunehmend relevanter wird. Daher beschäftigen sich die jeweiligen Bereichsleiter gemäß ihrer Schwerpunkte mit dem Thema und prüfen Einsatzmöglichkeiten. Julia Fernández-Pola, Regional Director of Marketing Europe, sagt: „Wir sind hier definitiv kein First Mover, aber wir blenden die Möglichkeiten rund um KI auch nicht aus. Ganz konkret arbeiten wir gerade daran, eine KI-gestützte E-Mail- und Telefonlösung zu finden, mit der wir die Reservierungs- und Front-Office-Teams entlasten können.“
In den Kinderschuhen steckt KI nach eigenen Angaben derzeit noch bei der Schweizer SV Group. Allerdings nutzt auch sie KI bereits in den Guest Relations, um Gästefragen in Hotels ihrer Marken zu beantworten. „Derzeit sind wir aber noch im Lernprozess. Das heißt, KI schlägt einen Text vor, der von Menschen geprüft und wenn nötig angepasst wird“, sagt Salome Ramseier, Head Corporate Communications & Public Affairs der SV Group. Bereits einige Schritte weiter ist der globale Anbieter von Geschäftsreise- und Meeting-Lösungen CWT. Er vereinfacht die Messaging-Interaktionen von Reisenden auf seiner Plattform mit generativer KI (GenAI), die von Microsofts Cloudservice Azure OpenAI unterstützt wird. Reisende, die über den Messaging-Service-Kanal in den Web- und Mobile-Apps Hilfe suchen, werden in ein Gespräch mit einem virtuellen Assistenten verwickelt. Erst wenn der virtuelle Assistent nicht weiterhelfen kann, übergibt er an einen Reiseberater. Nach einem Pilotversuch wurde der verbesserte Messaging-Service inzwischen an Kunden in 56 Ländern ausgerollt. Die Zufriedenheit der Reisenden liege bei mehr als 90 Prozent.
„Wir sehen ein immenses Potenzial für den Einsatz generativer KI in unseren Dienstleistungen zum Nutzen unserer Kunden“, sagt Erica Antony, Chief Product Officer von CWT. „Wir gehen davon aus, dass wir diese Technologie im Laufe dieses Jahres für eine Reihe weiterer Anwendungsfälle einsetzen werden.“ Demnächst will das Unternehmen generative KI auch für Live-Sprachübersetzungen in seinem Messaging-Service nutzen, sodass Reisende schnellen Support in ihrer jeweiligen Muttersprache erhalten können.
Über die Kommunikation hinaus geht der KI-Einsatz bereits bei den Travel Charme Hotels. Sie beantworten Chats und Kundenbewertungen, nutzen KI beim Revenue Management für Preisentscheidungen und machen sich ihre Fähigkeiten bei der prädiktiven Personalisierung in der Buchungsstrecke zunutze. Im Einsatz sind außer dem Revenue-Management-System auch ORM-Tools, Chatbots und individuelle Machine-Learning-Softwarelösungen. „Bei der manuellen Analyse für die tägliche Aktualisierung der Preise über einen Zeitraum von 365 Tagen und für zehn Distributionskanäle stoßen traditionelle Methoden schnell an ihre Grenzen“, weiß Senior-PR-Managerin Anja Kloss. „In anderen Bereichen wie der Anpassung der Buchungsstrecke an das persönliche Buchungsverhalten wäre ohne KI aufgrund der Unvorhersehbarkeit der Transaktionen eine effiziente Umsetzung gar nicht möglich.“ Die Fachbereichsleiter der Gruppe seien kontinuierlich auf der Suche nach technologischen Trends und neuen Möglichkeiten. Im Bereich Kommunikation bietet Travel Charme den Kunden aber noch die Wahl, mit einem Bot zu chatten oder mit einem Live-Agenten zu kommunizieren.
Lebensmittelabfälle mit KI verringern
Zu den digitalen Vorreitern zählt schon länger die Hotelkette Accor. KI ist bei Accor inzwischen zu einer wichtigen Säule geworden, wenn es darum geht, Lebensmittelabfälle zu verringern. Sie kommt außerdem im Revenue Management, in Vertrieb und Marketing sowie bei der Automatisierung operativer Aufgaben zum Einsatz. Im F&B-Bereich kooperiert Accor aktuell mit Partnern wie Winnow, Orbisk und Fullsoon. Winnow Vision scannt und erkennt übrig gebliebenes Essen, generiert Daten über die Menge und Art der Lebensmittelabfälle und schlägt Lösungen vor, wie F&B-Teams Menüs anpassen und dadurch Speiseabfälle reduzieren können. Ähnlich funktioniert auch das Tool von Orbisk. Fullsoon, eine vorausschauende Managementlösung für Restaurants, schätzt die Zahl der Gäste, der bestellten Gerichte und die genaue Menge der Zutaten ein und unterstützt bei der F&B-Planung Die Potenziale sind laut Accor enorm.
Wo Accor KI im F&B-Bereich einsetzt, hat sich der Anteil der Lebensmittelabfälle erheblich reduziert. So konnte das Novotel London Excel seine Abfälle um 39 Prozent, das entspricht zwölf Tonnen, senken. Bereits 2021 hatte Accor eine Digital Factory gegründet, um die digitale Transformation im Unternehmen zu beschleunigen. Diese Abteilung ist für Entwicklung, Aufbau und Bereitstellung innovativer digitaler Produkte und Dienstleistungen für Gäste, Mitarbeitende und Eigentümer der Hotels verantwortlich. Sie generiert gleichzeitig einen sehr hohen Geschäftswert für das Unternehmen. Wichtiger Teil der Digital Factory ist das Accor-interne „Intrapreneurship Programm“ als maßgeblicher Innovationstreiber.
Unsere Mitarbeitenden werden weiter der zentrale Faktor in unseren Hotels sein.“
Tamara Schwarz-Speckbacher, Media Relations & PR Accor
Accor-Mitarbeiter entwickelt KI-Tool
So wurde die KI-Lösung Fullsoon innerhalb dieses Programmes von einem Accor-Mitarbeiter entwickelt. Dieser hat sich inzwischen mit einem Start-up selbstständig gemacht. Zudem arbeitet der Konzern auch mit externen Experten zusammen, um potenzielle Einsatzfelder für KI zu identifizieren und zu implementieren. Aktuell experimentiert Accor auch mit generativen KI-Anwendungen für Fotos und Texte. Damit soll das Hotelmanagement entlastet werden, indem visuell ansprechende Inhalte schnell identifiziert und priorisiert werden können.
Doch auch Privathotels haben inzwischen erste Erfahrungen mit KI gesammelt. So setzt das Atrium Hotel in Mainz KI für sein Marketing ein. Hoteldirektor Lutz Frey sagt: „Wir nutzen ChatGPT, um ein ‚Grundgerüst‘ für einen Werbetext zu erhalten.“ Die Erfahrungen seien gut. Natürlich benötige ChatGTP einige Vorgaben dafür, welche stilistischen Mittel verwendet werden sollten und ob der Text kurz oder ausführlich werden darf. „Das klappt aber sehr gut und bietet eine schöne Basis“, sagt Frey. Zudem prüfe man die Integration eines Chatbots auf der Webseite und könne sich vorstellen, dass KI im Bereich Yield Management und Sales eine Rolle spielen wird. „Diese Bereiche werden schon jetzt von Algorithmen unterstützt. Sollten diese besser und selbstlernend werden, kann das eine großer Schritt und zumindest in der Anfangszeit ein großer Vorteil sein.“
Die Gastgeber sind sich einig, dass KI Menschen helfen, aber nicht ersetzen kann. Tamara Schwarz-Speckbacher, zuständig für Media Relations & PR bei Accor, sagt: „Unsere Mitarbeitenden werden weiterhin der zentrale Faktor in unseren Hotels bleiben. Ziel von Accor ist es, KI strategisch und verantwortungsbewusst einzusetzen, um die Gästeerfahrung zu optimieren, Teams zu unterstützen und einen Mehrwert für Eigentümer zu schaffen. Dabei bietet uns KI die Chance, uns noch mehr auf die Interaktion mit unseren Gästen zu konzentrieren.“ Und Lutz Frey vom Atrium Hotel betont: „Wir sind und bleiben ein People-Business."