Hotelreportage Seegut Zeppelin setzt auf Luxus der Stille

Seegut Zeppelin: Hotelanlage mit Villa Gminder
Das Hotelensemble Seegut Zeppelin und die historische Villa Gminder liegen im Landschaftsschutzgebiet und Friedrichshafener Stadtteil Fischbach. © i+R

In 18 Monaten Bauzeit entstanden vier Hotelneubauten, die eine denkmalgeschützte Villa aus dem Jahr 1908 gelungen flankieren. Der Standort erforderte eine enge Abstimmung mit Naturschutzbehörde und Denkmalamt.

Vogelgezwitscher und leises Rauschen vom Bodensee: Das neue Seegut Zeppelin in Friedrichshafen-Fischbach bietet ein Naturerlebnis sondergleichen. Dabei ist die Stille das Erste, was Besuchern auffällt, wenn sie das Grundstück direkt am Bodenseeufer betreten. Dann überrascht die Weitläufigkeit des Areals, das von wild wuchernden Wiesen und unzähligen alten Bäumen gesäumt ist.

Im Zentrum der Anlage steht die Villa Gminder, ein denkmalgeschützter Bau, den der Reutlinger Textilfabrikant Gustav Gminder 1909 vom bekannten Jugendstil-Architekten Theodor Fischer errichten ließ – und der neuerdings von vier markanten Neubauten flankiert wird. Diese beherbergen 62 Zimmer, acht Seminarräume, Restaurant und einen kleinen, aber feinen Wellness- und Fitnessbereich. Eigentümer und Bauherr des neuen Hotels, das im Mai seine Türen geöffnet hat, ist die traditionsreiche Luftschiffbau Zeppelin GmbH.

Erst Corona, dann Baustopp

Geleitet wird das Hotel von Sandra und Hendrik Fennel, die im gleichen Ort bereits das Viersterne-Superior-Hotel Maier führen. Ihr Konzept basiert auf drei Eckpfeilern: Ruhe, Design und Genuss. Gemeinsamer Nenner ist die Nachhaltigkeit, die im Seegut eine übergeordnete Rolle spielt. Und das aus gutem Grund: Das Hotel befindet sich mitten im Landschaftsschutzgebiet mit zwei Naturdenkmälern, einem Mammutbaum und einer Schwarzkiefer. Zusammen mit dem Denkmalschutz für die geschichtsträchtige Villa mussten die Bauherren somit gleich mehrere Schutzinteressen berücksichtigen.

Da die Anlage mit Villa und vier Bestandshäusern 90 Jahre lang von den Diakonissen als Krankenhaus und Erholungsheim genutzt wurde, sollte sich der kirchliche Hintergrund auch in der Geschichte des neuen Hotels widerspiegeln. Weg vom alten Luxus, hin zum neuen „Luxus der Ruhe, der Großzügigkeit und der Natur“, so Hendrik Fennel, der das Objekt für 15 Jahre mit Optionen auf Verlängerung gepachtet hat.

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    Seegut Zeppelin_Lobby
    © Winfried Heinze
    Warmer Empfang: Die Lobby ist mit natürlichen Materialien in gedeckten Tönen gestaltet.
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    Seegut Zeppelin_Interior
    © Winfried Heinze
    Charmant: Die alte Villa Gminder wurde behutsam auf den neuesten Stand gebracht.
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    Seegut Zeppelin: Zimmer
    © Winfried Heinze/i+R
    Alle Räumlichkeiten sind mit natürlichen Materialien ausgestattet.
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    Seegut Zeppelin: Bad, Zimmer
    © Winfried Heinze/i+R
    Gesund: Die 62 Zimmer bieten dank der natürlichen Materialien ein angenehmes Raumklima.
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    Seegut Zeppelin_Restaurant
    © Winfried Heinze
    Dream-Team: Die Kombination aus schwarzen Möbeln und Leuchten, Stein und hellem Holz im Restaurant.
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    Seegut Zeppelin_Spa
    © Winfried Heinze
    Rückzugsort: Auch im Wellnessbereich kam viel Eichenholz zum Einsatz.
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    Hendrik und Sandra Fennel
    © Winfried Heinze
    Gastgeber: Hendrik und Sandra Fennel haben das Hotel für 15 Jahre mit Option auf Verlängerung gepachtet.

Als er und seine Frau 2016 bei der öffentlichen Ausschreibung den Zuschlag bekamen, glaubten sie sofort an die besondere Wirkung dieses Kraftortes. Doch bis sie das Hotel im Mai dieses Jahres eröffnen konnten, mussten sie zahlreiche Hürden meistern. „Als im Coronajahr 2020 endlich die Baugenehmigung kam, waren wir vollauf damit beschäftigt, unser Hotel Maier vor dem finanziellen Untergang zu retten“, erzählt Fennel. „Doch der Eigentümer brauchte genau dann unsere Finanzierungszusage, und so mussten wir bei den Banken für einen weiteren Kredit hausieren gehen.“

Das Ehepaar bekam sogar zwei Angebote. Doch gerade als sie den Vertrag unterschreiben wollten, erwirkte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) per Eilantrag einen Baustopp für das Seegut-Projekt. Die Stadt Friedrichshafen hätte die Errichtung eines Hotels nicht bewilligen dürfen, weil das Areal baurechtlich im Außenbereich liege und kein Bebauungsplan vorliege. Zudem sei keine Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht und die Umweltverbände vor der Baugenehmigung nicht angehört worden. Bis zu 35 Punkte enthielt die Klageschrift.  „Schwerpunkt war, das Grundstück vor Überlastung durch zu viele Menschen zu schützen“, sagt Fennel, der sich der Verantwortung für den Betrieb eines Hotels im Landschaftsschutzgebiet bewusst ist.

Schutzmaßnahmen sind kein Verlust

Ein Jahr später kam es zur außergerichtlichen Einigung, dann ging alles ganz schnell. Der Kredit wurde neu beantragt, die Baustelle erneut eingerüstet und die maroden Bestandshäuser abgerissen. Allerdings mussten gewisse Forderungen seitens des BUND erfüllt werden. Zum Beispiel zertifizierte Vogelschlagfenster aus gepunktetem Spezialglas, die allerdings nur im Neubau und nicht in der denkmalgeschützten Villa verbaut werden durften. Um den Außenbereich in den Abendstunden vor Lichtverschmutzung zu schützen, fahren nach der Dämmerung an allen Fenstern textile Screens herunter. Die Außenbeleuchtung enthält keinen Blaulichtanteil (insektenfreundlich), es darf keine laute Musik in den Außenbereichen gespielt werden, und ein 1,5 Hektar großes Waldstück neben der Terrasse musste umzäunt werden, um die Ruhe der Wildtiere zu schützen. „Auf den ersten Blick könnte man meinen, diese Schutzmaßnahmen seien eine Einschränkung“, sagt Hendrik Fennel. „Doch wenn man hier ist und die Natur auf sich wirken lässt, wird schnell klar, dass der Ort diese Schutzmaßnahmen verdient.“

Free-Cooling statt Air Condition

Neben der Sanierung der Villa Gminder wurden in den folgenden anderthalb Jahren vier dreigeschossige Häuser in Holz-Beton-Hybridbauweise errichtet und die Fassaden mit einer dunklen Holzschalung versehen. Der verantwortliche Architekt Manuel Plösser aus Friedrichshafen wählte eine zeitlose und schlichte Ästhetik, die sich harmonisch in das Landschaftsbild einfügt und dörflich anmutet. Die schwarze Fassade hat einen besonderen Grund: „Die Logik bei den Neubauten ist, dass sie einem Baum nachempfunden sind. Außen ist er dunkel und im Inneren hell“, erläutert Fennel. Dem Hotelier war wichtig, nicht einfach Konzepte aus Vorarlberg zu adaptieren, sondern etwas Eigenes zu schaffen. Inspiration lieferte ihm dazu ein Vortrag von Markus Müller, Stuttgarter Architekt und Landesvorstand der Architektenkammer Baden-Württemberg, der sich mit der Frage beschäftigte, wie man für die Zukunft in Oberschwaben baut. Fennel: „Man tendiert zu der Nähe zu Vorarlberg, schöne funktionierende Muster zu kopieren. Das ist bequem und sicher nicht erfolglos, dennoch wollten wir schauen, wie es auch anders geht.“

"Es war ein großes Glück, dass wir so viel selbst entscheiden durften."

Hendrik Fennel, Betreiber

Gedeckt wurden die Häuser mit Zeltdächern, die technisch gesehen Flachdächer sind. „Auf diese Weise verneigen sich die Dächer der Neubauten quasi vor den Krüppelwalmdächern und Fassadengauben der alten, ehrwürdigen Villa“, so Fennel. Als Energiequelle nutzt die Anlage Erdwärme, die im Winter zum Heizen und im Sommer zum Kühlen verwendet wird. Dafür bohrte der Generalunternehmer i+R aus Vorarlberg insgesamt 90 Erdsonden. Die Dächer sind allesamt begrünt, Photovoltaik war aus Gründen des Landschaftsschutzes nicht möglich. Auf eine Klimaanlage wurde im Seegut explizit verzichtet. Gäste haben in den Zimmern keine Möglichkeit, die Temperatur eigenständig zu steuern. Für ein angenehmes Klima im Inneren sorgt „Free-Cooling“: Dabei wird die „kostenlose“ Außenluft, beziehungsweise der Temperaturunterschied zwischen der Innen- und der Außenumgebung, dazu genutzt, Räume zu kühlen oder zu heizen. Zusätzlich sind die Loggien so konstruiert, dass sie den Zimmern Schatten spenden.

Um die Bauwunden zu schließen, begann Fennel direkt nach Fertigstellung des Hochbaus mit dem Aussäen von Wildblumenmischungen, die alle nach Klimazone und Standortgenauigkeit zertifiziert sind. Acht verschiedene Rasenmischungen kamen dabei zum Einsatz, unter anderem eine für den Waldsaum, die dafür sorgt, Fressschäden von Wildtieren zu reduzieren, und eine speziell für die Einfahrt, die robust gegen Streusalz ist, das die Autos unweigerlich mit aufs Grundstück bringen.

Das Interior Design samt Signaletik entwickelten die Fennels in Zusammenarbeit mit Innenarchitektin Claudia Miller vom Stuttgarter Planungsbüro Linie Zweii, die sie vor Jahren bei der Intergastra-Sonderschau Fokus Hotel in Stuttgart kennengelernt hatten. Bekannt ist Miller in Fachkreisen unter anderem für das Konzept der Materialbibliothek „Raumprobe“, das sie gemeinsam mit Hannes Bäuerle realisierte. Für das Seegut entwickelte sie ein Materialkonzept, das sich durch zwei Faktoren auszeichnet: Zum einen sollten die Baustoffe möglichst naturbelassen sein und für eine gute Raumgesundheit sorgen. Zum anderen sollten die Materialien haptisch erlebbar sein und würdevoll altern. Hendrik Fennel beschreibt das Interior Design als „respektvoll, natürlich und zurücknehmend“. Eine Einrichtung, die nicht „zu laut“ ist, aber dennoch ihre volle Wirkung entfaltet.

Und das gelingt im ganzen Haus. In Kombination mit den Echtholzböden aus astfreier Eiche kommen die hellen Steinfliesen, der Kalkputz, die Leinentapete in der Villa (eine Hommage an das Gminder Hanfleinen) und die Polsterstoffe aus Schurwolle perfekt zur Geltung. Lampen und Stühle sind vorrangig in Schwarz gehalten, kein Detail wirkt überladen oder aufgesetzt. In Restaurant und Bankett stehen Stühle der Schweizer Manufaktur Horgenglarus und von Freifrau, die später bei Bedarf auch repariert werden können. „Es war ein großes Glück, dass wir nichts Fertiges vorgesetzt bekamen, sondern sehr viel selbst entscheiden durften“, sagt Hendrik Fennel, der als Pächter einige Millionen Euro investiert hat.

Steckbrief

  • Eröffnung: 15. Mai 2024
  • Eigentümer: Luftschiffbau Zeppelin GmbH
  • Betreiber: Sandra und Hendrik Fennel
  • Reine Bauzeit: 18 Monate
  • Architektur: Plösser Architekten, Friedrichshafen
  • Interior: Linie Zweii, Stuttgart
  • Generalunternehmer: i+R Industrie- und Gewerbebau, Lauterach
  • Auftragsvolumen: 17,6 Mio. Euro (Quelle i+R)
  • Gesamtfläche Hotelareal: 4 ha
  • Brutto-Grundfläche (BGF): 7.167 qm
  • Nutzfläche: 6.057 qm
  • Umbauter Raum: 16.040 Kubikmeter
  • Zimmer: 62 Zimmer
  • Wellness: 350 qm, Sauna und Sanarium
  • Tagung: 8 Seminarräume
  • Preise: ab 160 Euro inkl. Frühstück
  • Ausstatter: u.a. Horgenglarus, Freifrau, Admonter, Weishäupl Werkstätten, Salto, Susanne Kaufmann
  • Mitarbeitende: 42 (geplant 50)

Kupferblech bringt viele Vorteile

Die vier Neubauten mit insgesamt 62 Zimmern in acht Kategorien sind nach der Familie des Grafen von Zeppelin benannt: Isabella, Ferdinand, Helene und August. Weißtannentäfelung, Eichendielen und Kalkputz schaffen in den Räumen mit einer Größe von 30 bis 40 Quadratmetern eine behagliche Atmosphäre. Die Zimmermaße wurden durch die Versiegelungsflächen an den Bestandsgebäuden vorgegeben. Mit jeweils drei Geschossen pro Gebäude ist damit die Versiegelung zurückgegangen, die Kubatur insgesamt gestiegen.

Alle Zimmer sind mit dem Lift erreichbar, wobei die Häuser Isabella, Ferdinand und Helene über die Tiefgarage erreichbar sind. Das Besondere im Haus August sind die Waldzimmer, die dank der Panoramafenster einen freien Blick auf den beeindruckenden Bergmammutbaum bieten. Das Restaurant „Pinus“ befindet sich in der Villa Gminder. Auf der Speisekarte stehen vorwiegend vegetarische Speisen, die sich an den Prinzipien von Slow Food orientieren und zum Teilen gedacht sind. Fisch und Fleisch werden als Ergänzung angeboten und spielen eine untergeordnete Rolle.

Ein Übergang mit auffälliger Kupferblechfassade beherbergt die Küche und setzt einen gelungenen Kontrapunkt zur dunklen Fassade des Neubaus. Kupferblech bietet dabei gleich mehrere Vorteile: Es ist leicht, wirkt lebendig und lässt sich gut wiederverwenden. Zusätzlich erfordert das geringe Gewicht nur eine einfache hinterlüftete Unterkonstruktion aus Holzlatten. Diese verbessert den Hitzeschutz im Sommer und mindert das Feuchterisiko. Zudem altert es würdevoll: Mit der Zeit entsteht eine schöne Patina, die vor Korrosion schützt.

Um zu verhindern, dass sich zu viele Menschen gleichzeitig auf dem Grundstück befinden, investierte Fennel in eine digitale Schrankenanlage. So kann er dokumentieren, dass das Grundstück nie überlastet ist. Parkraumbewirtschaftung ist für den Hotelier allerdings kein Lieblingsthema – „einige Leute haben sich darüber aufgeregt, dass sie extra dafür bezahlen müssen. Aber die Infrastruktur kostet nicht nur Geld, sie versiegelt auch Fläche. Und da kann man nicht so tun, als wäre das umsonst. Wenn ich ins Kino gehe, muss ich fürs Parken schließlich auch bezahlen.“ Auf die Frage, welche Gäste Fennel bevorzugt ansprechen will, muss der Hotelier nicht lange überlegen: „Alle, die es wertschätzen.“