Nachhaltige und kreislauffähige Materialien werden beim Bauen und Renovieren von Hotels immer wichtiger. Auch das Wissen über deren Herkunft gewinnt an Bedeutung. Seriöse Datenbanken können bei der Recherche helfen.
Plant ein Hotelier einen Neubau oder eine Renovierung, gewinnen bei der Finanzierung neue Aspekte an Bedeutung: Banken achten verstärkt darauf, wie ökologisch unbedenklich die verwendeten Materialien sind. Dies stellt Bauherren vor neue Herausforderungen. Auch die Beschaffenheit des Interior Designs rückt zunehmend in den Fokus. Gerade für die Inneneinrichtung wurden bisher viele Materialien, Stoffe und Hölzer aus fernen Ländern bezogen. Hilfe und Unterstützung bei der richtigen Produktwahl liefern zunehmend Datenbanken, die Hersteller oder auch einzelne Materialien auf ihren CO2-Fußabdruck und ihre allgemeine Nachhaltigkeit überprüfen. Leider herrscht eine verwirrende Vielzahl von Produktlabels, Gebäudezertifikaten und Materialdeklarationen. Das macht es Bauherren und Planern extrem schwer, den Durchblick zu behalten. Und Produkthersteller sehen sich kontinuierlich mit Anfragen zu Nachweisen und Deklarationen konfrontiert.
Datenbank: vom Bau bis zum Abriss
Vorreiter aus Europa für eine branchenübergreifende globale Datenbank für alle Produkte, Materialien und die Logistik rund um das Gebäude ist bereits seit sieben Jahren Madaster aus Amsterdam. Die Datenbank konzentriert sich auf die gesamte Lieferkette, vom Design und Bau bis hin zum Abriss. Vor allem geht es um die Reduktion des sogenannten verkörperten Kohlenstoffs – also der Emissionen, die mit den in Gebäuden und Infrastrukturen verwendeten Materialien und Produkten verbunden sind. Zudem ist Madaster heute in der Lage, einen „Building Passport“ für Asset-Portfolios zu erstellen und so Investment-Entscheidungen zu unterstützen. Aus welchen Rohstoffen ein Gebäude besteht ist insbesondere dann wichtig, wenn es verkauft und sein Restwert berechnet werden soll. Dabei spielen der Grundstückswert und der Rohstoffwert eine tragende Rolle.
Zirkuläres Bauen wird messbar
Die Vorteile, die die Madaster-Plattform bietet, gelten sowohl für Neubauten als auch für den Bestand. Pablo van den Bosch, Mitgründer und Board Member von Madaster, erläutert: „Zirkuläres Bauen ist nur möglich, wenn man dokumentiert, welche Materialien verwendet wurden. Madaster macht es möglich, über den gesamten Lebenszyklus hinweg nachzuweisen, welche Materialien verwendet wurden. Darüber hinaus ermöglicht es, zu messen welche Auswirkungen die Verwendung dieser Materialien hat, das heißt, in welchem Maße zirkuläres Bauen angewendet wurde. Kurz gesagt, Madaster stellt sicher, dass zirkuläres Bauen umsetzbar und messbar wird.“
Erreicht werde dies durch die Plattformfunktionen Registrierung und Dokumentation, Vergleich von Materialien und Zugang zu Daten und Analysen. Anwendungsbereiche der Analysen sind beispielsweise Zertifizierungen durch die DGNB oder BREEAM und CRREM für internationale Investoren. Mehr als zehn Gesellschafter sind insgesamt an Madaster beteiligt, in Deutschland ist das Beratungsunternehmen Drees & Sommer als Gesellschafter aktiv.

Zugang zu gesunden Materialien
Madaster ist nur eines von vielen Engagements von Drees & Sommer im Bereich Nachhaltigkeit. Gemeinsam mit der in Stuttgart ansässigen Hoinka GmbH hat Drees & Sommer beispielsweise die Serviceplattform für nachhaltige Bauprodukte Building Material Scout“ gegründet. Diese hilft allen am Bau beteiligten Akteuren – Finanzierer, Bauherren, Projektentwickler, Architekten, Planer, Baufirmen, Betreiber –. einen einfachen Zugang zu gesunden, intelligenten und nachhaltigen Materialien sowie Bauprodukten zu erhalten. Auf der entsprechenden Website wird zusätzlich eine Vielzahl von nachhaltigen Produktlabels vorgestellt, zum Beispiel für Holz, Kork oder Möbel. „Es geht um Veränderung“, erläutert Gesa Rohwedder, Head of Hospitality Europe bei Drees & Sommer.
„Die Bedeutung der Zulieferer wird häufig unterschätzt. Ihr Impact auf den CO2-Footprint eines einzelnen Hotels ist aber massiv.“
Gesa Rohwedder, Head of Hospitality Europe, Drees & Sommer
Ebenfalls zu Drees & Sommer gehört das bereits 1987 gegründete Unternehmen EPEA, ein internationaler Innovationspartner für umweltverträgliche Industrieprodukte und Gebäude. EPEA etabliert die „Cradle to Cradle“-Methode für die Circular Economy in allen Industriebranchen sowie in der Bau- und Immobilienwirtschaft und unterstützt Unternehmen und die öffentliche Hand bei Entscheidungen für Materialien. Beispiele jüngeren Datums sind die Entwicklung eines nachhaltigen Schlafanzugs für Lidl oder der nachhaltige Umbau aller Globetrotter-Stores.
Zu den deutschen Experten im Bereich Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Materialgesundheit zählt auch Peter Bachmann. Der Kaufmann und Coach gründete vor 20 Jahren die Datenbank des Sentinel Haus Instituts, auf deren Grundlage im Wesentlichen Baustoffe geprüft werden. Inzwischen hat er dieses Unternehmen und die Datenbank verkauft und entwickelt im neuen Unternehmen Circular Skills einen wissenschaftlich nachvollziehbaren Gebäudestandard für die Zirkularität. Dieser wird gerade in mehreren Hotels – zum Beispiel im Seehotel Wiesler am Titisee und im Hotel Schwarzwald Panorama in Bad Herrenalb – zur Klassifikation bei der Produkt- und Gebäudebewertung eingesetzt. Zudem bietet dieses Konzept die Zertifizierungsgrundlage für „Greensign Circular“ von Greensign, ein Punktesystem für einen Gebäuderessourcen-Pass.
Grüne Bauwende auf der Baustelle
„Ein Hotelier, der sein Haus renovieren oder erweitern möchte, sollte genau wissen, auf welches Konto die von ihm verwendete Datenbank einzahlen soll“, erläutert Bachmann. Dafür müsse dieser zunächst definieren, was verändert werden soll. Fragen, die in die Entscheidung einfließen müssten, seien zum Beispiel: Ist die Geschäftsgrundlage eine AG und muss der Hotelier einen ESG-Bericht für Aktionäre erstellen? Ist er Darlehensnehmer und muss er seiner Bank ökologische Fakten aufzeigen? Möchte er lediglich Gästen und Mitarbeitenden etwas Gutes tun und als innovativer Unternehmer wahrgenommen werden? Möchte er sein Hotel verkaufen und mithilfe von Daten den Sanierungsaufwand feststellen oder widerlegen? Muss er vielleicht bestimmte Siegel vorweisen, um einen der neuesten KfW-Kredite zu erhalten?
Die Praxistauglichkeit und Bezahlbarkeit der Konzepte für Hotels sei ebenfalls von zentraler Bedeutung. „Die grüne Bauwende findet auf der Baustelle statt. Somit ist auch der Handwerker mitsamt seiner Qualifizierung von enormer Bedeutung“, sagt Bachmann. Was Datenbanken angehe, so sei manchmal die Mischung aus Daten die beste Lösung für einen Betrieb. Bachmann: „Es gibt keine pauschale Lösung, die lautet: Geh einfach dorthin.“ Jedes Land habe andere Vorschriften und Systeme. Innerhalb der EU seien diese noch einigermaßen deckungsgleich, in der Schweiz aber schon ganz anders. Auch die Qualitätsunterschiede der Daten seien oft sehr groß.

Möbelbauer arbeiten individuell
Das Sentinel Portal beleuchte laut Bachmann im Wesentlichen Dämmstoffe, die Bauchemie oder den Fensteraustausch. Oft müsse aber in einem Hotel lediglich der Fußboden erneuert werden. Dabei könne man auf die Infos des TFI zählen – das Institut für Bauprodukte mit Schwerpunkt Innenausbau (Boden, Wand, Decke) an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Wer bei Möbelproduzenten nachfrage, stelle laut Bachmann fest, dass das Thema Materialprüfung bei vielen Herstellern noch nicht angekommen sei – mit Ausnahme großer Büroeinrichter, die auch international und insbesondere auf dem US-Markt agierten, beispielsweise Vitra. „Viele Hoteleinrichtungen werden maßgearbeitet, die Möbelbauer arbeiten oft sehr individuell. Hier sollte der Hotelier dann nach dem Goldenen M fragen.“ (Anm. d. Red.: „Goldenes M“ ist das Gütezeichen für geprüfte Möbel von der Deutschen Gütegemeinschaft Möbel). Oft hätten Produkte auch bereits einzelne Zertifikate, zum Beispiel der „Blaue Engel“.
Inflation an Datenbanken
Wolle man ein Gebäude zertifizieren, sei der DGNB-Navigator hilfreich. Als sehr gut stuft Bachmann das Unternehmen Concular ein. Es startete 2012 Europas größten Marktplatz für wiedergewonnene Baustoffe Restado. Seit 2020 setzt das Concular-Team aus Architekten, Softwareentwicklern und Ingenieuren auf die Entwicklung zirkulärer Materialströme auf Gebäudeebene. „Hinter Concular steckt unter anderem das Bauunternehmen Strabag“, so Bachmann.
Der Berater beklagt aber auch eine aktuelle Inflation an Datenbanken, die fast alle auf generische Daten zurückgreifen und ohne weitere Recherchen das Ergebnis einer Google-Suche in die Datenbank packten. Doch viele Produzenten hinkten mit der Datenpflege hinterher. „Eine seriöse Datenbank lässt den Hersteller die Daten mit Stempel und Unterschrift garantieren“, sagte er. Für die Hersteller sei wiederum die Inflation an Datenbanken eine große Herausforderung. Sie müssten bis zu
20 Systeme gleichzeitig bedienen und in der Regel für den Eintrag bezahlen, wobei sie nicht genau wüssten, welche Handwerker die Datenbank überhaupt berücksichtigen.
„Viele Datensätze sind schon am nächsten Tag ein alter Datensatz“, weiß Bachmann. KI könne künftig bei der Aktualisierung helfen. Während Bachmann viel von den Experten des Teams von Drees & Sommer hält, blickt er eher skeptisch auf US-Datenbanken und -Zertifizierungskonzepte, die derzeit ihre Aktivitäten nach Europa ausweiten. „Die Amerikaner sind sehr, sehr gut im Marketing“, gesteht er ihnen zu. Aber man müsse sehr genau auf die Inhalte achten.

Erfahrung in der Hotellerie
Eines dieser Unternehmen auf dem Weg nach Europa ist das vor zehn Jahren von Beraterin JoAnna Abrams gegründete Mindclick. Das Unternehmen hat in den USA bereits viel Erfahrung im Bereich Hotellerie und Ausstattung. Sein Messsystem deckt sowohl die ökologische als auch die soziale Verantwortung während des gesamten Lebenszyklus eines Produkts ab – von der Materialbeschaffung und Herstellung über die Verpackung und den Vertrieb bis hin zu den Auswirkungen während und nach der Nutzung. In den USA arbeitet Mindclick eng mit dem Nachhaltigkeitsteam von Marriott zusammen. Dem Hospitality Sustainable Purchasing Consortium (HSPC) von Mindclick gehören neben dem US Green Building Council diverse IT-Unternehmen im Bereich Lebenszyklus-Analyse, 20 Hersteller von FF&E „Furniture, Fixture and Equipment), OS&E (Operating Supplies and Equipment) und Bauprodukten, Designfirmen und Einkaufsunternehmen an. Marriott trat dem HPSC bei und wirkte an der Weiterentwicklung des Mindclick Sustainability Assessment Program (MSAP) mit, einer Bewertung, Berichterstattung und Förderung von guten Produkten.
Mindclick sammelt produktbezogene Daten direkt von den Anbietern und ihren Zulieferern. Öko-Label, Zertifizierungen und von einer Führungskraft unterschriebene juristische Dokumente fließen dabei ebenfalls in die Bewertung ein. Eine reine Selbstauskunft genügt nicht. In den USA zählen viele unabhängige Hotels sowie Ketten wie Hilton, IHG, Four Seasons oder Sonesta zum Kundenstamm. In Europa arbeitet das Unternehmen bereits mit einigen Lieferanten zusammen, zum Beispiel mit Dometic (Minibars), Kaldewei (Bäder) oder Life Fitness. „Im Unterschied zu den USA sind die Normen in Europa bereits sehr hoch, deshalb wird es für Mindclick nicht leicht, hier Fuß zu fassen“, sagt Gesa Rohwedder von Drees & Sommer.
Auf dem Weg zur Netto-Nullbilanz
Aus San Diego und London kündigt sich ein weiter Dienst im Bereich der Nachhaltigkeitsplattformen an. Das Unternehmen Measurabl beschäftigt sich mit ESG-Kriterien (Envorinmental, Social and Corporate Governance) zu Umwelt-, Nachhaltigkeits- und Sozialfragen. Die ESG-Technologie „Measurabl Navigate“ für Immobilien soll auf dem Weg zu einer Netto-Nullbilanz und finanziellen Ergebnissen aus ESG-Investitionen begleiten. Über Navigate lassen sich Daten managen, befragen, Berichte erstellen oder Dekarbonisierungsszenarien bewerten – einschließlich CRREM (Carbon Risk Real Estate Monitor) und benutzerdefinierte Ziele mit automatisch optimierter CapEx-Projektplanung (Investitionsausgaben für längerfristige Anlagegüter).
„Die immer strengeren Vorschriften in Bezug auf Nachhaltigkeit und Immobilienleistung überfordern Eigentümer, Betreiber und Investoren, die sich gezwungen sehen, über die Offenlegung hinauszugehen und Maßnahmen zu ergreifen“, kommentiert Matt Ellis, CEO und Mitbegründer von Measurabl. „Die Möglichkeit, die finanziellen Auswirkungen von ESG zu messen, wird das Spiel verändern und Portfolios widerstandsfähiger und profitabler machen.“