Neben Abstand, Hygiene und Atemschutz spielt auch das Lüften eine wichtige Rolle im Kampf gegen Corona. Doch was, wenn das nicht gut genug möglich ist? Auch wenn Lüften an sich unverzichtbar bleibt, Luftreiniger und -entkeimer können eine ergänzende Lösung sein. Experten erläutern, worauf zu achten ist und wann man entsprechende Geräte benötigt.
Die Reinigung der Innenraumluft kann ein wesentlicher Baustein sein, um das Ansteckungsrisiko in der Sars-CoV-2-Pandemie zu reduzieren. Dies ist eines der Ergebnisse einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP im Auftrag der Verbände Dehoga Bayern und VBW sowie des Bayerischen Wirtschaftsministeriums.
"Voraussetzung ist, Qualitätskriterien werden eingehalten“, erläutert Professor Dr. Gunnar Grün, stellvertretender Leiter des Fraunhofer IBP und Professor für Bauphysik an der Universität Stuttgart. Dazu gehören laut Untersuchung die zur Raumgröße passende Leistungsfähigkeit von Geräten, deren Reinigungseffizienz und Produktsicherheit, der Geräuschpegel, ein passender Aufstellort und die regelmäßige Wartung.
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"Dabei kommen je nach Raumgröße und Raumschnitt sowohl mobile Geräte als auch in Lüftungsanlagen verbaute Reinigungstechnologien infrage. Es ist nicht in jedem Fall eine zusätzliche Maßnahme – wie beispielsweise Filter, UV-C-Bestrahlung oder Ionisation – erforderlich“, führt Grün weiter aus.
Auf Basis der Studienergebnisse wollen die Beteiligten einen webbasierten "Raumlufthygiene-Konfigurator“ entwickeln. Er soll helfen, die passende Luftreinigungstechnologie für die jeweilige Raumsituation zu finden.
"Wir können auf erwiesenermaßen erfolgreiche Schutzkonzepte für das Gastgewerbe zurückgreifen. Es ist daher neben den bereits funktionierenden Maßnahmen, wie AHA plus L, nicht grundsätzlich immer spezielle Hygienetechnik erforderlich. Je nach Raumsituation reicht manchmal konsequentes Lüften“, sagt Dr. Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Dehoga Bayern, zu den Ergebnissen der Studie.
Wenn Fensterlüfung oder RLT reicht
Wie effektiv eine Fensterlüftung ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dazu zählen zum Beispiel die Temperaturdifferenz zwischen der Innen- und der Außenluft, die Windgeschwindigkeit und Windrichtung sowie, ob eine Querlüftung möglich ist oder eben nur eine Stoßlüftung.
"Ob ich einen Luftaustausch über das Fenster erreiche, hängt immer auch von der Wind- und von der Bausituation ab“, erläutert Günther Mertz, Geschäftsführer beim Fachverband Gebäude-Klima (FGK). "Konstruieren wir einmal den Fall, dass Sie innen und außen nahezu dieselbe Temperatur haben, zugleich aber der Wind gut weht. Wenn Sie nun das Fenster auf der Windschattenseite öffnen, dann haben Sie überhaupt keinen Lüftungseffekt. Wenn Sie stattdessen auf der Winddruckseite das Fenster öffnen, dann bläst es Ihnen bildlich gesprochen das Toupet vom Kopf.“
Mit 100 Prozent Außenluftzufuhr
Eine Lüftung kann aber auch über eine raumlufttechnische Anlage erfolgen. "Besitzen Sie eine raumlufttechnische Anlage, die idealerweise mit hundert Prozent Außenluft fährt und dabei circa 50 Kubikmeter pro Person und Stunde an entsprechender Luft bereitstellt, brauchen Sie keine Luftreiniger. Dann haben Sie einen so hohen Luftaustausch im Raum, dass Sie für eine deutliche Reduzierung des Infektionsrisikos sorgen“, so Mertz.
"Wenn Räume nicht so be- und entlüftet werden können, dass sich damit das Infektionsrisiko minimieren lässt, sind Raumluftreiniger aber eine sinnvolle Ergänzung. Egal, ob es sich dabei um eine Fensterlüftung oder eben eine mechanische Anlage handelt.“
Um einzuschätzen, ob neben der vorhandenen Lüftungstechnik zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind, hat der FGK ein Berechnungstool auf Basis seines Statusreports 52 entwickelt. Dieses findet sich neben weiteren Tools und Leitfäden auf seiner Kampagnen-Webseite lebensmittel-luft.info.
Was ist zu beachten?
"Luftreiniger verringern das Risiko einer Infektion durch virenbelastete Aerosole deutlich – sowohl in geschlossenen als auch in belüfteten Räumen“, sagt auch Raumlufttechniker Dirk Peltzer vom Hygieneinstitut Hybeta. "Das hat zwar nicht zur Folge, dass auf Lüften verzichtet werden kann, allerdings können gerade in den kalten Wintermonaten Lüftungsintervalle verlängert werden.“
Das Institut hat im Auftrag der Uniklinik Münster eine Kurzstudie zu Raumluftreinigern durchgeführt. Weitere Forschungen zum Thema Raumluftreiniger und Corona betreiben zum Beispiel das Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Universität der Bundeswehr München oder das ILK Dresden.

"Ganz wichtig ist, dass das Gerät in der Lage ist, eine gute und bedarfsgerechte Raumdurchströmung zu erreichen“, erklärt Mertz auf die Frage, worauf bei der Auswahl zu achten ist. Eine Rolle kann dabei die Höhe des Gerätes spielen, wie er ausführt. "Wenn das Gerät nur eine Höhe von 60 oder 80 Zentimetern hat, ist schon einmal Vorsicht angesagt.“ Deshalb seien viele Geräte mit einer Höhe von rund zwei Metern oder 2,20 Metern konzipiert. "So können sie die Luft an der Decke entlang ausblasen, möglichst hoch in den Raum.“
Nicht zu laut
Ein zweiter Punkt, den Mertz und auch andere ansprechen, ist die Lautstärke des Gerätes. Der Experte empfiehlt hier, dass der Schalldruckpegel nicht höher als 40 Dezibel A sein sollte, zumindest in Versammlungs- und Besprechungsräumen, etwa im Hotel. „Im Restaurant ist es vielleicht nicht ganz so kritisch, weil dort die Grundlautstärke schon etwas höher ist, aber auf das Thema Akustik sollte man sehr viel Wert legen.“
Außerdem sollten Raumluftreiniger, die auf der Basis von Abscheidetechnik arbeiten, sogenannte Hepafilter (High Efficiency Particulate Air/Arrestance) eingebaut haben. Das sind Filter der Kategorie H13 oder H14, geprüft nach den Normen EN 1822 oder ISO 29463.
Die Geräte sollten einen fünffachen Luftwechsel pro Stunde im Raum erreichen, empfiehlt Mertz. Andere Experten sprechen von einem sechsfachen Luftwechsel pro Stunde oder sogar mehr. Sie machen dies aber auch von der Aktivität im Raum, der Raumgeometrie und der Anzahl der Personen im Raum abhängig.
Automatik abschalten
Wichtig sind nach Meinung des Raumlufttechnikers Dirk Peltzer vor allem die Ausrüstung und der Aufbau der Geräte. Neben den entsprechenden Partikelfiltern der Klasse H14 und einer Luftwechselrate von mehr als fünfmal pro Stunde sei das Einsaugen der Luft auf dem Boden erforderlich, um eine möglichst große Wirkung zu entfalten.
"Die guten Geräte verfügen vor dem Hepafilter über einen Vorfilter, um den Hepafilter zu schonen", erklärt Mertz einen weiteren Aspekt. "So muss dieser nur ungefähr einmal pro Jahr ausgetauscht werden." Der Vorfilter reduziere die Last im Hepafilter entsprechend, da Staub, Haare und Ähnliches vorab schon dort abgeschieden werden.

Sollte das Gerät über eine Automatik verfügen, die den Luftvolumenstrom anhand von Messwerten wie Kohlendioxid- und/oder Partikelanzahl einstellt, muss diese ausgestellt sein. Sonst lässt sich der Anteil der Coronaviren in der Innenraumluft über einen gesamten Zeitraum nicht sicher reduzieren, wie die Forscher des Fraunhofer IBP in ihrer Studie erklären. Denn das Gerät detektiert nicht die Viren.
„Abgesehen vom Filterwechsel haben sie im Prinzip keinen großen Wartungsaufwand. Sie müssen vielleicht alle fünf Jahre nach dem Ventilator schauen, dass der noch gut und rund läuft, aber das ist es dann auch schon“, sagt Mertz. Neben den Kosten für Wartungszeit und Filter ist noch der Energieverbrauch des Gerätes mit einzurechnen.
Luftentkeimer als weitere Möglichkeit
Neben filterbasierten Technologien, die auf einer Virenabscheidung beruhen, gibt es auch solche, die Viren und etwa Bakterien oder Sporen inaktivieren – zum Beispiel durch UV-C, Ionisation, Plasma oder Ozon-Direktinjektion. Im Gegensatz zu Filtern existiere aktuell keine etablierte Normung, um die Effizienz solcher Geräte zu bestimmen, so das Fraunhofer-Institut.
In ersten Untersuchungen anhand von Corona-Surrogat-Viren habe aber die Wirksamkeit einzelner Geräte gezeigt werden können. Die Forscher empfehlen, auf einen Wirksamkeitsnachweis und Effizienztest zu achten. Dieser sollte an luftgetragenen Surrogat-Viren erfolgen und eine Aussage über die Replikationsfähigkeit der Viren nach der Luftbehandlung erlauben.
Wirksamkeit von UV-C
Die Kommission Innenraumlufthygiene des Umweltbundesamts rät von Geräten, die auf Basis von Ozon arbeiten, ab, da das Gas unter anderem Atemwege und Schleimhäute reizt und chemische Reaktionen in Gang setzt. Bei Geräten, die Luft ionisieren, sollte der Hersteller nachweisen können, dass sie die Gesundheit nicht schädigen.

Wie wirksam UV-C-Geräte sind, hängt von der Strahlungsdosis und der Einwirkzeit ab, wie das Bundesamt für Strahlenschutz erklärt. Die Forscher des Fraunhofer-Instituts raten dazu, auf die Sicherheit der Geräte zu achten. Es müsse sichergestellt sein, dass das Gerät keine UV-Strahlung in den Raum abgibt und sich dieses beim Öffnen sicher abschaltet.
Ansonsten empfehlen Experten zum Beispiel ähnlich wie bei Filtern unter anderem einen sechsfachen Luftwechsel. Das Fraunhofer IBP empfiehlt in seiner Studie für Geräte mit einer Reinigungseffizienz von 95 Prozent in Bezug auf Coronaviren einen Volumenstrom von mindestens 41,7 Kubikmeter pro Stunde und Person.
Mertz erläutert einen weiteren Aspekt, gerade in Kombination mit RLT-Anlagen: "Die Entkeimung der Luft mittels UV-C hat insbesondere dann ihren großen Effekt, wenn sie in eine bestehende RLT-Anlage integriert wird. Das kann am Ende der Anlage geschehen, bevor die Luft in den Raum kommt."