Die Suche nach geeignetem Personal gestaltet sich für Arbeitgeber oft langwierig und teuer. Umso ärgerlicher ist es, wenn Kandidaten plötzlich nicht mehr erreichbar sind oder am ersten Arbeitstag nicht erscheinen. Eine rechtliche Handhabe dagegen gibt es aber kaum.
Job-Ghosting nennt sich das Phänomen, wenn Bewerber während des Recruitingprozesses plötzlich den Kontakt abbrechen. Für Arbeitgeber bedeutet das häufig auch einen wirtschaftlichen Schaden, sodass sich die Frage nach möglichen Regressansprüchen stellt. Rechtlich ist der Zeitpunkt des Kontaktabbruchs entscheidend.
Drei Fälle von Job-Ghosting: Wenn der Bewerber nicht reagiert
1. Bewerber erscheint nicht zum vereinbarten Vorstellungsgespräch
In dieser Bewerbungsphase fehlt es in der Regel noch an einer schuldrechtlichen Beziehung. Ein Kontaktabbruch zu diesem Zeitpunkt bleibt daher ohne haftungsrechtliche Folgen für den Bewerber.
2. Bewerber reagiert nicht auf ein konkretes Angebot
Unter Umständen kann sich ein Schadenersatzanspruch ergeben, wenn der Arbeitgeber dem Bewerber ein konkretes Vertragsangebot unterbreitet und sich dieser daraufhin nicht mehr meldet. Dies erfordert allerdings, dass der Bewerber durch sein vorangegangenes Verhalten beim Arbeitgeber objektiv eine nachvollziehbare Vertrauenslage geschaffen hat, dass er ein Vertragsangebot auch zeitnah annehmen wird. Diese Konstellation ist jedoch kaum praxisrelevant, da es sich nach der Rechtsprechung schon dann nicht mehr um einen vorwerfbaren Abbruch handelt, wenn ein nachvollziehbarer Grund für den Rückzug genannt werden kann. Eine Schadenersatzpflicht bleibt hier die Ausnahme.
3. Arbeitsvertrag wurde geschlossen, Bewerber nimmt die Arbeit nicht auf
Kommt es zu einem Kontaktabbruch, nachdem der Arbeitsvertrag bereits wirksam geschlossen wurde – was auch durch mündliche Vereinbarung möglich ist – und erscheint der Arbeitnehmer nicht wie vereinbart zum ersten Arbeitstag, verletzt er damit eine vertragliche Hauptleistungspflicht. Grundsätzlich steht dem Arbeitgeber in diesen Fällen ein Anspruch auf Erfüllung, also auf die Arbeitsleistung zu. Da die Arbeitsleistung aber nur vom Arbeitnehmer persönlich erbracht werden kann, spricht man von einer nichtvertretbaren Handlung (§ 888 ZPO) Diese ist praktisch nicht vollstreckungsfähig.
Worauf der Arbeitgeber im Falle von Job-Ghosting achten sollte
Daneben bliebe dem Arbeitgeber die Möglichkeit, gegen den Arbeitnehmer einen Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung (§§ 280, 283 BGB) geltend zu machen. Nach den Grundsätzen des Schadenersatzrechtes ist der Arbeitgeber so zu stellen, wie er ohne die Pflichtverletzung stehen würde. In Betracht kommen etwa Kosten für das Finden einer anderen Arbeitskraft. Denkbar ist auch ein Schaden aufgrund Produktionsausfalls/-verzögerung. Allerdings muss der Arbeitgeber darlegen und im Bestreitensfall beweisen können, dass der geltend gemachte Schaden tatsächlich auf der (pflichtwidrigen) Nichtaufnahme der Tätigkeit beruht. Das gestaltet sich in der Praxis häufig schwierig.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, innerhalb der Probezeit ohne Angabe von Gründen zu kündigen, auch am ersten Arbeitstag. In diesem Fall hätte der Arbeitgeber dieselben Aufwendungen wie bei einer Nichtaufnahme, aber keinen ersetzbaren Schaden, da Kündigung in der Probezeit als allgemeines Geschäftsrisiko gilt. Es bestehen daher erhebliche Rechtsunsicherheiten, ob ein Schadenersatzanspruch beziffert und durchgesetzt werden kann.
Praxistipp
Durch eine transparente Kommunikation und den regelmäßigen persönlichen Kontakt zum Bewerber sowie durch Beachtung der eigenen Flexibilität innerhalb des Bewerbungsprozesses kann sich der Arbeitgeber am besten vor Bewerber-Ghosting und den damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Nachteilen schützen.
Aktion, Reaktion: Option Vertragsstrafenklausel
Eine Möglichkeit zur Eingrenzung des wirtschaftlichen Risikos ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe im Arbeitsvertrag für den Fall des pflichtwidrigen Nichtantritts der Arbeit. Die zulässige Obergrenze liegt regelmäßig bei einem Bruttomonatsgehalt. Eine solche Klausel kann aber abschreckend wirken, und das Risiko einer Probezeitkündigung bleibt. Sinnvoller sind Maßnahmen, die es dem Bewerber erleichtern, Bedenken hinsichtlich der Annahme eines Vertragsangebots zu kommunizieren. uls
Autorin
Anett Weber ist Rechtsanwältin für Arbeitsrecht, Reise- und Vertragsrecht mit Schwerpunkt auf außergerichtlicher Streitbeilegung sowie
Prozessführung.