Das Flaggschiff der Gruppe Seetelhotels auf Usedom legt großen Wert auf Tradition und das Aufleben der »guten, alten Zeiten«. Ob der Service und die Ausstattung des Luxushotels dennoch »up to date« sind, zeigt der anonyme Hoteltest von Tophotel.
DO. 25/05, 12:30
Telefonische Reservierungsanfrage:
Im Zweifel für … wen?
Kompliment: Die zentrale Reservierungsnummer der Seetelhotels ist auch an Sonn- und Feiertagen besetzt, das ist nicht selbstverständlich. Doch mein Anruf an Christi Himmelfahrt direkt im Hotel wird nicht einmal dahin weitergeleitet, sondern die nette Frau S. kümmert sich selbst um meine Anfrage. Und das macht sie gut. Frau S. hat eine natürliche, herzliche Art, wirkt kompetent und kommunikativ und ist geschäftstüchtig dazu. Ein Aufenthalt an einem bestimmten Wochenende anlässlich meines Hochzeitstages? »Da bietet sich doch unser Arrangement ›Traum für zwei‹ an«, schlägt die Mitarbeiterin vor und verkauft mir mit den beiden Übernachtungen gleich noch ein Drei-Gänge-Menü, ein Vier-Gänge-Candlelight-Dinner und eine Rückenmassage zu zweit. Das sind 798 Euro im Package, wo die Übernachtung mit Frühstück laut Internet in der gleichen Kategorie (Doppelzimmer mit Seeblick) nur 504 Euro kostet, als Frühbucherrate sogar nur 454 Euro. Das Hotel macht in diesem Fall ein gutes Geschäft, denn ich als Gast käme bei der Einzelbuchung der Leistungen – die im Internet veröffentlichten Menü- und Massagepreise angesetzt – fast 70 Euro günstiger. Da stellt sich die Frage: In wessen Interesse sollte Frau S. bevorzugt handeln? Meinen tatsächlichen Aufenthalt habe ich allerdings lange zuvor online gebucht.
Wertung: noch sehr gut
Internet-Auftritt: Ausbaufähig
Vor einem grau-beige-gestreiften Hintergrund, der wie eine edle Tapete aussieht, präsentieren sich die 13 Usedomer Hotels, Residenzen und Villen der Seetel-Gruppe auf einer gemeinsamen Website. Der feine Hintergrund passt insbesondere gut zum Flaggschiff der Seetelhotels, dem Hotel Ahlbecker Hof. Umso bedauerlicher erscheint es, dass durch den Aufbau der Website Fotos nicht seitenfüllend zur Geltung kommen können. Hier wird Aha-Potenzial verschenkt. Der Ahlbecker Hof präsentiert sich genauso wie seine kleineren »Geschwister« – nur etwas pompöser betitelt: »…der legendäre Ahlbecker Hof. Exzellenz seit 1890. Kaiser und Könige waren hier zu Gast in einer langen Geschichte.« Doch wo finde ich diese Geschichte? Ich suche sie auf der Homepage genauso vergeblich wie den Namen des aktuellen Gastgebers und eine Vorstellung seines Teams, sie fehlt ebenso wie die aktuelle Speisekarte des Hauptrestaurants Kaiserblick und das Barmenü. Sehr gerne hätte ich auch gewusst, wo die markante und doch eher ungewöhnliche Verbindung eines Fünf-Sterne-Hotels auf Usedom zu Thailand herstammt. Vermutlich ist das der Grund, weshalb ich online »Auf Thailands Spuren« buche – ein zweitägiges Arrangement zum »Erleben fernöstlicher Momente« und dem Genuss von »Wohlfühlbehandlungen auf der Basis asiatischen Heilwissens«.
Wertung: befriedigend
Vorab-Telefonat: Kosmetik nicht möglich
Zu meinem online gebuchten Arrangement gehören zwei Übernachtungen in einer Relax-Suite mit Seeblick und Frühstück, ein Drei-Gänge-Menü im Restaurant Suan Thai sowie ein Thai-Spa-Verwöhnprogramm mit einer 60-minütigen Ölmassage, einer 50-minütigen Gesichtsbehandlung, einem Fußritual und einem Körperpeeling. Preis: 517 Euro bei Einzelbelegung. Eher durch Zufall erfahre ich bei einem Anruf einige Tage vor meiner Anreise, dass die Kosmetikerin krank ist und die Gesichtsbehandlung deshalb ausfallen muss. Ich kann kaum glauben, dass ein Wellnesshotel dieser Größe nur eine einzige Kosmetikerin beschäftigt und zudem nicht in der Lage ist, deren Ausfall bis zu meiner Anreise – beispielsweise durch Einspringen einer Kraft aus einem der anderen Hotels – zu kompensieren. Doch nein, die Spa-Mitarbeiterin am Telefon wirkt zwar sehr unglücklich darüber, dass sie mir keine Hoffnung machen kann, bleibt aber bei der Absage. Als Ersatz für die Gesichtsbehandlung bietet sie eine Rücken-Intensivmassage an.
Wertung: mangelhaft
Lage und Anreise: Willkommen im Kaiserbad
Man kann sich gut vorstellen, wie sie hier geurlaubt haben, die Buddenbrooks, die Manns und natürlich auch die diversen Kaiser samt ihrem Gefolge. »Sommerfrische« hieß das damals. Mit ihrer filigranen, alten Bäderarchitektur, deren strahlendweiße Gebäude Klassizismus, Historismus und Jugendstil fröhlich durcheinander würfeln, sind die drei »Kaiserbäder« von Usedom ein Fest fürs Auge und eine lebendige Reminiszenz an die »guten alten Zeiten«. Prominent in jeder Hinsicht liegt der Ahlbecker Hof an der Uferpromenade, in unmittelbarer Nähe zur Seebrücke und zum Strand. Wie ein Schloss trägt das Hotel seine noble Fassade, die nicht selten von Touristen geknipst wird. Am Eingang weisen blaue Schilder auf gleichfalls noble Gäste hin, Königin Silvia von Schweden beispielsweise, Horst Köhler und – gut 100 Jahre früher – Sissis Gatte Kaiser Franz Josef. Gut ins Bild passen da die livrierten Portiers, die sich stilvoll, aber locker um alle möglichen Belange der Gäste kümmern. Vom Bahnhof holt mich jedoch eine Empfangsmitarbeiterin im dunkelblauen Kostüm ab. Sie begrüßt mich freundlich, gibt mir aber weder die Hand, noch stellt sie sich vor. Im weißen Fünfer-BMW fahren wir die kurze Strecke zum Hotel, wo ich am Fuße der Freitreppe zum Eingang entlassen werde. Um mein Gepäck kümmern sich nun andere.
Wertung: sehr gut
SA. 29/04, 12:45
Check-in: Ankunft im »kleinen Grandhotel«
Die Zeiten ändern sich – das Gute bleibt? Bei meinem ersten Besuch vor wenigen Jahren wurde ich bei Anreise von der Empfangschefin auf ein Glas Sekt ins Kaminzimmer gebeten und dort herzlich plaudernd zum Hotel »gebrieft«. Bei diesem zweiten Besuch erinnert sich zumindest Frau J. vom Empfang meiner und freut sich, mich wiederzusehen. Das war es dann aber auch schon an Begrüßungsprocedere. Ich erhalte Kurkarte, Spa-Termine, Schlüsselchip und einige Informationen zu Frühstück und Restaurant. Leider nicht zum WLAN, sodass ich später noch einmal einen Key dafür erbitten muss. Ein Kreditkartenabzug wird nicht verlangt. Das war auch bei meinem ersten Besuch schon so. Portier K. begleitet mich zum Zimmer. Dort erklärt er mir lediglich das Schließsystem und den Stromschalter. Eine wichtige Information – dass der Inhalt der Minibar und des gut gefüllten Barwagens im Preis inbegriffen sind – enthält er mir jedoch vor.
Wertung: gut
Zimmer 221: Zimmer mit Aussicht
Bei meiner Relax-Suite handelt es sich um ein großzügiges Zimmer mit verglastem Erker zur Seeseite. Der Schlafbereich liegt eine Stufe erhöht auf einem Podest und ist mit einer halbhohen Balustrade abgeteilt. Ich fühle mich ein bisschen zu Gast wie bei Kaisers: Antik anmutende Stilmöbel mit kunstvollen Intarsien, eine behagliche Couchgarnitur, opulente Fensterdekorationen, Stuck, funkelnde Kronleuchter sowie feine Stoffe in Blau-, Creme- und Goldtönen sorgen für kultiviertes Wohnambiente. Der verglaste Erker mit dem schönen Sekretär und der Sitzgruppe bietet sich an als Logenplatz zum Leute Beobachten und Lesen. Vielleicht mit einem Drink in der Hand, gemixt aus den diversen Spirituosen, die auf dem Barwagen stehen und von denen ich mich ebenso kostenlos bedienen darf wie von den Getränken aus der Minibar. Auch bei deren Bestückung zeigt man sich nicht kleinlich. Ich wähle einen Drappier Carte d’Or Champagner Piccolo als Kompensation für das nicht erhaltene Begrüßungsgetränk. Für die, die es lieber heiß mögen, steht eine italienische Espressomaschine auf dem Sekretär, deren Design so gar nicht ins Ambiente passt. Mit ihrer kastigen Form und der weißen Kunststoffoberf
läche sieht sie aus wie eine Kreuzung aus Toaster und Eiswürfelbereiter. Hier wäre Herr Clooneys Kaffeebereiter adäquater. Der Kaffee schmeckt allerdings hervorragend. Zum Soundsystem, das mit mehreren Lautsprechern in der Zimmerdecke verbunden ist, werden etliche CDs angeboten. Ich verzichte auf »Die großen Liebesszenen der Oper« und auf »Hallo du süße Klingelfee« (»Unvergessliche Schlager«) und lege stattdessen Beethovens Fünfte unter Karajan auf. Die Lautstärke scheint nicht abgeriegelt zu sein, und ich hoffe, meine Nachbarn sind außer Haus.
Der Schrank im Schlafbereich bietet mit zwei Hängeabteilen und drei großen integrierten Schubladen reichlich Stauraum und dazu eine große Auswahl verschiedener, stilvoller Bügel. Hier ist auch ein – recht kleiner – Safe integriert. Ein großer Ganzkörperspiegel ist Teil der Garderobe im Flurbereich, an der sich auch schwere Wintermäntel gut aufhängen lassen. Für die grundsätzliche Beleuchtung des Zimmers dienen mehrere Kronleuchter, für punktuelles Licht eine Schreibtischlampe und die beiden Nachttischlampen, die sich allerdings kaum zum Lesen eignen. Die Fenster und der verglaste Erker sind mit schweren Vorhängen verkleidet, deren Rückseite zur Verdunkelung beschichtet ist. Weiche Bademäntel aus Mikrofaser in zwei Größen und Badeschuhe liegen für zwei Personen auf dem Bett bereit.
Das WLAN ist schwach und langsam – eine Sendung aus der Mediathek anzuschauen unmöglich. Auf dem Sekretär im Erker steht das einzige, fest installierte Telefon. Hier finde ich auch einen Notizblock ohne Stift und die Schreibmappe des Hotels – mit Briefpapier, der Roomservice-Karte und dem Gäste A-Z. Als Dank für meine Online-Buchung steht eine kostenlose Flasche Wasser auf dem Nachttisch. Jegliche weitere Begrüßung – ein Obstteller, eine Süßigkeit, ein Kärtchen der Direktion – fehlt. Auch das im Gegensatz zu meinem letzten Besuch. Ich habe in weiser Voraussicht vorab einen Strauß saisonaler Blumen bestellt (eine Ankreuzmöglichkeit im Online-Menü), der mir aber erst eine Stunde nach Bezug des Zimmers gebracht wird – in einer von der Größe her nicht passenden Vase, die noch dazu angeschlagen ist. Der Teppichboden ist stellenweise abgetreten, auf der Spiegelkommode liegt ein bisschen Staub, aber sonst ist das Zimmer sehr sauber. Der Putzlappen liegt sogar noch im Schrank.
Wertung: noch sehr gut
Das Bad
»Nobel geht die Welt zugrunde.« An diesen Spruch muss ich denken, als ich den Fünf-Sterne-Aufkleber auf dem Toilettenpapier entdecke. Die Sanitärobjekte tragen den Schriftzug »Heritage« (= Erbe), wozu irgendwie passt, dass das – ich vermute mal – Messing der Armaturen stark abgenutzt ist. Oder nennt man das Patina? Kalk und Grünspan allerorten, auch in der Verfugung der Dusche. Hier hat der Zahn der Zeit doch schon kräftig genagt. Darüber täuschen auch die kristallenen Lüster nicht hinweg, deren Lichtausbeute schwach ist. Natürlich hat das Bad mit separater Toilette, Doppelwaschtisch, Streifentapete, schwer umrahmten Spiegeln und einer großen Whirlwanne eine luxuriöse Anmutung, die gut zum Zimmer passt. Als nützliches Detail darf das Fenster gelten, das in den Erker geht: Es lässt Tageslicht ins Bad und wenn man sich, in der Wanne liegend, ein bisschen streckt, kann man beim Whirlen sogar die Seebrücke sehen. Die Entspannung findet allerdings ein jähes Ende, wenn nach dem Baden plötzlich der Selbstreinigungsmodus der Wanne einsetzt und einen zu Tode erschreckt. Sehr komfortabel sind die dicken Handtücher mit Waffelmuster, auch wenn es nur Dusch- statt Badetücher gibt. Sie werden hübsch gefaltet – fast wie in Thailand. Auch die Anturie in der schmalen Vase vermittelt ein wenig asiatisches Flair. Die Dusche hat eine Mehrfachbrausearmatur, die vor 20 Jahren sicher als außergewöhnlich galt – so wie der Handtuchwärmer und die Wärmestrahler an der Decke. Die Toilette ist allerdings nicht mit Spülstopp-Funktion ausgestattet. Als Gästekosmetika werden hochwertige Produkte von Bogner angeboten, einschließlich eines Badesalzes für die Wanne. Das Bad wurde ordentlich geputzt – nur das Abluftgitter ist dick mit Staub zugesetzt.
Wertung: noch gut
Front Office: Mitgefühl und Service
Schon beim Check-in habe ich eine beginnende Migräne erwähnt, die mich in meinem Wohlbefinden stark beeinträchtigt. Per Telefon bitte ich nun den Empfang darum, mir ein – rezeptfreies – Migränemittel aus der Apotheke zu besorgen. Frau J. bezeugt mir auf nette Weise ihr Mitgefühl und sichert Hilfe zu. Doch es ist Samstag und die Apotheken auf Usedom sind – kurios – geschlossen. Die Kollegin von Frau J. fährt zur Notfallapotheke nach Bansin und »rettet« mich.
Wertung: sehr gut
14:05
Roomservice 1: Antimigräne-Food
Zu meiner kompletten Migräne-Behandlung gehört ein doppelter Espresso und frisch gepresster Zitronensaft (erweitern in Kombination die Gefäße) sowie eine kräftige Hühnerbrühe (damit verträgt sich das Medikament besser). 40 Minuten nach meinem Anruf schiebt ein junger Mann einen Servierwagen herein, auf dem all das Gewünschte platziert ist. Ich frage, wo der Servierwagen hin soll, woraufhin der junge Mann schüchtern vorschlägt, den Couchtisch einzudecken. Genauso schüchtern entschuldigt er sich dafür, dass er die Suppe hat überschwappen lassen. Der Espresso ist nur noch lauwarm, die Suppe aber gut und heiß. Schade, dass kein Brot dazu gereicht wird. Auf der Zimmerrechnung sind Espresso und Zitronensaft nicht aufgeführt. Nur die Suppe (9,50 Euro) – und 10 Euro Zimmerzuschlag.
Wertung: gut
Spa: Thailand auf Usedom
Ob man ein Spa auf einer Ostseeinsel heute noch nach einer thailändischen Göttin benennen und es ihrem Heimatland widmen würde? In Zeiten, in denen Nachhaltigkeit und Regionalität immer mehr Bedeutung beigemessen wird, auch und gerade in der Hotellerie, wohl kaum. Genauso, wie man heutzutage ein Spa kaum mehr unterirdisch anlegen würde. Das ist aufgrund der architektonischen Vorgaben zwar verständlich, aber – in meinen Augen – das größte Problem des »Kinnaree Spa« im Hotel Ahlbecker Hof. Man steigt vom Zimmertrakt aus über schmale Treppen ins Untergeschoss, läuft durch relativ schummrige Flure auf Teppichboden vorbei am Gymnastikraum und dem Behandlungstrakt bis zum Eingang des Nassbereichs, in dessen Vorraum die Spa-Rezeption angesiedelt ist. Schwimmbad, Saunen, Ruheraum, Behandlungsräume – alle tageslichtlos. Die geschmackvolle Einrichtung und Gestaltung, liebevoll akzentuiert durch kleine Details wie beispielsweise hölzerne Handtuchhaken in Elefantenrüsselform, machen dieses Manko sicher bis zu einem gewissen Grad wieder wett. Doch dürften im Rang um den attraktivsten Wellnessbereich andere, neuere Hotels auf der Insel dem Ahlbecker Hof längst den Rang abgelaufen haben. Konzeptionelle Schwächen offenbaren sich zudem darin, dass bei den Schwitzbädern Lakonium und Tepidarium den größten Raum einnehmen, aber am wenigsten genutzt werden. Die am stärksten frequentierte finnische Sauna hingegen fasst kaum drei bis vier Personen. Sie sollte übrigens einmal mit neuen Bänken ausgestattet werden. Ein Schmunzeln entlockt mir die Tatsache, dass Saunen und Dampfbäder mit zuziehbaren Vorhängen ausgestattet sind – ein Zugeständnis an andere Länder/andere Sitten? Nicht lustig finde ich hingegen die Berge an Einmal-Plastikbechern, die sich allabendlich im Papierkorb vor dem Wasserspender finden. Da gibt es mittlerweile wirklich umweltfreundlichere Lösungen. Bei einem meiner Spa-Besuche um 17:30 Uhr ist der Pool fest in Kinderhand – ihr fröhliches Geschrei kann die schön geschnitzte Tür des Ruheraums nicht draußen halten. Für ein Wellnesshotel fehlen hier notwendige klare Vorgaben für den Aufenthalt von Kindern im Nassbereich.
Wertung: befriedigend
16:30
Kräuter-Fußritual & Rückenintensivmassage: Genuss mit Einschränkungen
Liebe D., du musst jetzt ganz stark sein. Du bist echt ein nettes Mädchen und eine prima Masseurin. Aber du musst dir den folgenden Satz einprägen: Weniger ist mehr. Weniger im Hinblick auf deine Redseligkeit und Leutseligkeit, weniger aber vor allem im Hinblick auf das, was du deinen Gästen erzählst. Dass dein Papa, der gerade zu Besuch ist, nicht im Hotel übernachten darf, weil es über den Feiertag keinen Mitarbeiterrabatt gibt, gehört beispielsweise zu den Dingen, die man »Interna« nennt. Und dass deine männlichen Gäste, wie du – ungefragt und amüsiert – schilderst, »während der Behandlung schon einmal einen St… kriegen« – nun ja, dazu erübrigt sich jeder Kommentar. Das Fußritual mit Fußbad, Peeling, Packung und Massage könnte so angenehm sein, wenn ich es in Ruhe genießen dürfte. Aber zum einen ist da dein ständig plätscherndes Geplauder, und zum anderen muss ich irgendwie dauernd auf die bunten Ringelsocken an deinen Füßen gucken, denn die Schuhe hast du dir gleich als erstes abgestreift, als du den kleinen Behandlungsraum betreten hast. Dass die anschließende Rücken-Intensivmassage nicht allzu intensiv verläuft, führe ich jetzt einmal darauf zurück, dass du mich noch in der Migränephase wähnst. Aber gerade du solltest wissen, dass bei Migräne vor allem eines hilft: Ruhe, Ruhe und nochmals Ruhe.
Wertung: mangelhaft
Turndownservice: Nur das Nötigste – aber Champagner
Die Mülleimer sind geleert, ein Handtuch wurde ausgetauscht und das benutzte Glas gespült. Die Vorhänge sind im Schlafbereich zugezogen und das Bett aufgedeckt. Doch weder wurde die Frühstückskarte aufs Bett gelegt noch die herumfliegenden Kleidungsstücke geordnet oder der leere Flakon mit Body Lotion ersetzt. Über die Tatsache, dass das Betthupferl aus einem sehr einfachen Schokoladentäfelchen besteht, sehe ich großzügig hinweg. Schließlich steht in der Minibar ein frischer Champagner-Piccolo.
Wertung: noch gut
19:30
»Restaurant Blauer Salon«: Genuss ohne Einschränkung
Maître Fornarelli, den ich von meinem letzten Besuch noch in bester Erinnerung habe, ist leider krank. Doch der junge Herr D. vertritt ihn, und das macht er ganz fein. Nun hat er mit zwei Tischen und insgesamt drei Personen auch eine sehr überschaubare Gästeschar zu betreuen. Der »Blaue Salon«, in dem Küchenchef Hark Pezely »auf dem ihm höchstmöglichen Niveau« kocht, wie es so schön auf der Homepage heißt, bietet sowieso kaum 20 Plätze, doch scheinen diese wenig frequentiert zu sein. Klassisch blau ist das Interieur gehalten, klassisch französisch das Abendmenü, das ab vier Gängen (82 Euro, sieben Gänge 145 Euro) serviert wird. Ganz alte Schule ist Herr D., das hat er wohl von seinem Chef gelernt. Erst grüßt die Küche zweimal (köstlich: Variationen von Räucherfisch und Geflügelleber), zwischendurch erfrischt sie mich mit einem Sorbet und nach dem Dessert »plaudert« Herr D. aus einem veritablen Nähkästchen, das mit Schokolade und Trüffeln gefüllt ist. So wird mir die Zeit nicht lang, da immer etwas zu tun beziehungsweise zu essen oder zu trinken ist. Aus dem Menü sticht die tadellose Vorspeise hervor, ein variantenreiches Duett von Waldpilzen und Steinbutt, wohingegen der nussig-schwarze Risottoreis zum Langostino im Kartoffelkokon definitiv noch ein bisschen gebraucht hätte. Perfekt hingegen wieder die Trilogie vom Rebhuhn – als Crépinette mit Taube, als Keulchen und als Brust im Mangoldblatt – mit cremig-sämigen Gnocchi. Alles wie auf den Teller gemalt, auch das Dessert, welches Rhabarber als Schnitte, Ragout, Sorbet und Sphäre präsentiert. Uff. Gut, dass ich mich beim Alkohol zurückgehalten habe. Den Aperitif hatte ich bereits auf dem Zimmer – ja, richtig, einen Champagner-Piccolo –, zum Menü habe ich nur ein Glas Grauen Burgunder aus dem Markgräfler Land und einen wunderbaren Côtes du Rhône Secret de Famille gekostet. Und Wasser natürlich. Auf 111,90 Euro beläuft sich die Rechnung, die mir Herr D. schließlich präsentiert.
Wertung: sehr gut
Schuhputzservice: Selbst ist der Mann/ die Frau
Obwohl in der Deutschen Hotelklassifizierung bei fünf Sternen vorgeschrieben, gibt es im Hotel Ahlbecker Hof keinen Schuhputzservice. Im Schrank finde ich ein Schwämmchen und auf dem Hotelflur einen Schuhputzautomaten.
Wertung: mangelhaft
SO. 30/04, 08:45
Fitness / Bewegung / Entspannung 1: Unengagiert
Bewegung und Entspannung sollten in einem Wellnesshotel einen hohen Stellenwert haben. Und als Wellnesshotel positioniert sich der Ahlbecker Hof, das Hotel ist sogar vom Deutschen Wellness Verband zertifiziert. Dessen hohem Anspruch an ein umfassendes Bewegungsangebot entspricht der Kursplan des Ahlbecker Hofs während meines Aufenthalts nur bedingt. Täglich steht um 8:45 Uhr Wassergymnastik auf dem Programm, von Dienstag bis Freitag gibt es jeweils eine weitere Offerte – in der Woche ab dem 1. Mai zweimal Nordic Walking, einmal Rücken-Fit und einmal Tai-Chi. Doch halt – das Hotel kann mit einem Personal Trainer aufwarten. Das ist natürlich toll. »Unser Trainer Philipp freut sich auf Sie«, heißt es auf dem Kursplan. Doch leider freut er sich nicht über meine Anfrage zu einem Personal Training – »ich bin am Wochenende nicht im Haus«, bescheidet er mir per E-Mail. Obwohl das Hotel über den Feiertag ausgebucht ist, also kein Personal Training und keine Sportkurse. Und auch keine Aquagymnastik am Sonntag, wie ich erfahre, als ich in Badekleidung um 8:45 Uhr am Pool eintreffe und dort nur Masseurin D. am Spa-Desk vorfinde. »Ich hätte die Wassergymnastik ja auch machen können«, entschuldigt sich D. später, als wir uns zum zweiten Teil meiner Spa-Behandlung wiedersehen. Und: »Ich habe dem Philipp noch gesagt, die Gäste kommen nun mal am Wochenende, gerade auch an diesem.« Wie wahr. Der tageslichtlose Mini-Gymnastikraum bleibt verwaist während meines Aufenthaltes. Im ebenfalls kleinen Fitnessraum finde ich drei Cardiogeräte und einen Fernseher mit Fernbedienung. Der Wasserspender ist leer.
Wertung: mangelhaft
09:00
Frühstücksbuffet: Räucherfisch und Matjes satt
Logisch sind die Plätze am Fenster die begehrtesten, denn: a) scheint da die Sonne hin, b) sieht man von dort die Ostsee und c) hat man den Logenplatz zum Leute Gucken. »Kaiserblick« heißt denn auch das Hauptrestaurant des Hotels, in dem das Frühstück serviert wird. Leise Pianomusik, weiß eingedeckte Tische, gediegenes Ambiente und beflissene Servicekräfte – so lässt es sich angenehm in den Tag starten. Zumal das Buffet Wellness- wie sonstige Gäste glücklich machen dürfte mit seiner opulenten Auswahl. Erstere können sich gesund laben an Sanddornnektar, Bio-Sauerkrautsaft, Rote Bete-, Tomaten- und Karottensaft mit Honig. Ein Stamperl Apfel-Johannisbeersaft wird sogar jedem Gast am Tisch serviert, und als ich einen frisch gepressten Orangensaft bestelle, bekomme ich davon gleich einen halben Liter. Ein großes Teebuffet zeigt sich bestens bestückt, im Kühler stehen Wasser mit und ohne Kohlensäure und ein Secco. Milch gibt es in verschiedenen Fettstufen, dazu Buttermilch und probiotischen Joghurt. Ein Rucola-Salat ist mit Wassermelone und Schafskäse angemacht, es gibt Antipasti, etliche Frischkäsevariationen, Müsli und neben Schlachtplatte und Kaiserbraten auch magere Wurst in Aspik und einen »Wellnessaufschnitt« mit nur drei Prozent Fett. Aus der Region stammen Sanddornprodukte, Honig und natürlich gibt es Fisch in allen erdenklichen Variationen: Räucherfisch, Matjes, Meeresfrüchte- und Flusskrebssalat sowie Garnelen süß-sauer. Wem Kalorien egal sind, der kann bei Eier- und Käsesalat zulangen und ordentlich Speck oder Würstchen zum Rührei nehmen. Leider gibt es keine Frühstückskarte, die wei
tere, vor allem warme, Optionen listet, das ist dann eher ein bisschen dünn. Auch wird zwar jede Menge Wurst angeboten, aber kein roher Schinken oder gar Roastbeef. Das Brot schmeckt gut, die Brötchen sind Bio oder als »Bäckerbrötchen« bezeichnet. Wie hieße das Gegenstück dazu: Industriebrötchen? Vergebens suche ich gluten- und lactosefreie Produkte oder einen Hinweis darauf. Auch eine Allergenkennzeichnung ist nirgends zu finden. Alles ist appetitlich angerichtet und wird regelmäßig aufgefüllt. Die Servicemitarbeiter – allesamt in klassisch schwarz-weißer Kluft und bodenlangen Bistroschürzen – stammen überwiegend aus dem nahen Polen. Sie geben sich wirklich Mühe und über kleine Sprachprobleme ärgern sie sich ganz offensichtlich selbst am meisten.
Wertung: gut
Housekeeping – Remake: Drumherum geputzt
Das Bett wurde ordentlich gemacht, die schwere Tagesdecke wieder aufgelegt, das benutzte Glas gespült und der Champagner in der Minibar aufgefüllt. Doch meine vorher im Zimmer verteilten Kleidungsstücke liegen nun zwar samt und sonders auf dem Sessel, aber nicht etwa zusammengelegt, sondern einfach hingeworfen. Die Tischplatte des Couchtisches ist noch klebrig. Im Bad hat die Reinigungskraft um meine Kosmetikartikel herumgeputzt, statt sie zur Seite zu stellen oder aufzuräumen. Auch hat sie den Boden nicht gewischt und den Fettfleck auf dem Kosmetikspiegel übersehen. Wäre ich jetzt aber wirklich auf die zur Verfügung gestellte Gästekosmetika angewiesen, würde mich am meisten stören, dass weder Duschgel noch Body Lotion aufgefüllt sind.
Wertung: mangelhaft
Housekeeping – Wäscheservice: Ausgefallen
Den Wäschebeutel mit einem zu waschenden und einem zu bügelnden Kleidungsstück habe ich am Morgen vor Verlassen des Raumes in den dafür vorgesehenen Wäschebeutel deutlich sichtbar aufs Bett gelegt. Für das Housekeeping ein eigentlich nicht zu missinterpretierendes Signal: bitte mitnehmen und waschen! Am Abend finde ich jedoch genau diesen Wäschebeutel unter dem Haufen hingeworfener Kleider auf meinem Sessel. Wäscheservice? Ausgefallen.
Wertung: ungenügend
10:00
Kinnaree-Körperpeeling & Thai-Ölmassage: Genuss ohne Reue
Liebe D., heute leiste ich dir Abbitte. Zwar versuchst du dich noch während des Papaya-Körperpeelings in Konversation, doch als ich nur einsilbig bis gar nicht antworte, gibst du auf. Während der anschließenden Thai-Öl-Massage gibst du hingegen alles und ich lasse mich von dir im ruhigen Ambiente des kleinen, kerzenbeleuchteten Behandlungsraumes rund 8.900 Kilometer weit nach Koh Samui beamen, an einen palmenumsäumten Strand, wo eine sanfte Brise weht und die Wellen des Golfs von Thailand rhythmisch an den Strand plätschern …
Wertung: sehr gut
Fitness / Bewegung / Entspannung 2: Ungepflegt
Das Wetter an diesem Sonntag ist kalt, aber schön, und ich will mich unbedingt noch ein bisschen bewegen. Da das Hotel Nordic Walking anbietet, muss es ja wohl auch Stöcke verleihen. An der Rezeption ist man zunächst ratlos, doch die sich anscheinend im Spa-Dauerdienst befindliche D. wird fündig. Nur: Sämtliche Stöcke sind unterschiedlich lang, bei einigen sind die Handschlaufen abgerissen, bei allen fehlen die Gummi-Puffer. Dank Teleskop-System »bastele« ich mir zwei gleichlange Stöcke und kann loslaufen. Später leihe ich mir noch ein Fahrrad aus. »Das Rad steht draußen«, heißt es, als man mir an der Rezeption einen Schlüssel überreicht. Wie wäre es, wenn jemand mitkäme, die Sattelhöhe einstellt und zeigt, wie das Schloss funktioniert? Fünf-Sterne-Service sieht anders aus.
Wertung: mangelhaft
Message Transfer
Die am Empfang hinterlassene Nachricht wird mir mündlich übermittelt, als ich vom Nordic Walking zurückkomme. Das ist zwar der schnellstmögliche Weg, zur Sicherheit hätte die Nachricht jedoch noch einmal schriftlich aufs Zimmer gelegt werden müssen.
Wertung: befriedigend
19:00
Thailändisches Restaurant: Drei Chilis für das »Suan Thai«
Eines muss man Inhaber-Familie Seelige-Steinhoff lassen: Das »Suan Thai« ist der Hammer. 2008 wurden Baumaterial und Interieur komplett aus Thailand nach Ahlbeck transportiert und hier von thailändischen Handwerkern in liebevoller Handarbeit zusammengebaut. Dergestalt entstand ein wintergartenähnlicher, hoher Bau mit dunklem Holzboden und kunstvoll geschnitztem Mobiliar um einen original thailändischen Tempel in der Raummitte. Ein außergewöhnliches und in keiner Weise kitschiges Ambiente, mit dem sich das Restaurant und damit das Hotel von jeglicher sonstigen asiatischen Gastronomie in weitem Umkreis abhebt. Genau das war wohl auch der Sinn der Sache, erklärt mir Herr D., der in Vertretung von Gastronomieleiter Fornarelli hier nach dem Rechten schaut. Ich sitze an einem Randtisch, schön weit weg von der lärmenden Gruppe Schweden, und beobachte gerade fasziniert, wie der thailändische Koch in seiner offenen Küche mit Pfännchen und Töpfchen hantiert. Es sei nicht immer leicht mit den thailändischen Mitarbeitern, räumt Herr D. auf meine Nachfrage ein. Schon wegen der zeitlich begrenzten Arbeitserlaubnis, aufgrund derer Köche und Servicemitarbeiter immer wieder wechseln müssten. Ich werde an diesem Abend jedenfalls sehr aufmerksam und herzlich betreut und verwöhnt von Frau B., die zwar ein langes, asiatisches Gewand trägt, aber durch und durch deutsch ist. Das für mich vorgesehene Probier-Menü kann ich beliebig mit Speisen aus der Karte variieren, die im Übrigen erfreulich überschaubar und sehr informativ gestaltet ist. Ich lerne einiges über thailändische Tischsitten und versuche im Anschluss ebenso ambitioniert wie erfolglos, meine Reisbandnudelsuppe mit Stäbchen zu essen. Vielleicht wäre mir dies leichter gefallen, hätte sich der als Zutat zur Suppe angekündigte Pak Choi tatsächlich auch darin befunden. Als Hauptgang habe ich das grüne Curry vom Huhn mit Auberginen, Zucchini, Bambussprossen, grünen Bohnen, Thai-Basilikum, Limettenblatt, roter Chili, Kokosmilch und Fischsauce gewählt. Mit drei Chilischoten in der Karte als »sehr scharf« bezeichnet – »europäisch scharf«, wie mir Frau B. versichert, also essbar. Tatsächlich übertönt die Schärfe des Gerichts nicht die feinen Aromen seiner Zutaten, sondern unterstreicht sie und macht das Curry so zu einem feurigen Genuss. Zum Nachtisch kühlt gebackenes Vanilleeis auf Mangoragout meine Geschmacksnerven, hübsch verziert mit geschnitztem Apfel und Drachenfrucht.
Wertung: sehr gut
22:10
Bar »Kaisers Lounge«: Von Leichtmatrosen und Ladykillern
Cocktails sind »Hansis« Steckenpferd, und der gestandene Barkeeper versteht es, sie zu verkaufen und zu zelebrieren. Dergestalt ist die gemütliche kleine Bar am Abend proppenvoll entspannter Gäste, die an Tischchen oder in Sesseln um den Bartresen sitzen, Hansi beim Mixen zuschauen und sich entertainen lassen. Das ist sehenswert: Der Mann bespielt den Bartresen wie ein Schauspieler die Theaterbühne, jongliert mit Worten wie mit seinem Mixbecher und versteht es sogar, seine Gäste untereinander zu vernetzen. Ein Prachtexemplar von Barkeeper. Ich lerne den Unterschied zwischen »Leicht-« und »Schwermatrosen« kennen – das sind Cocktails – und erfahre, woher der »Ladykiller« seinen Namen hat. Zwischendurch wird laut gelacht, von Hansi fast am lautesten. Ich habe »Hansis Favorit« bestellt, einen Basilikum Daiquiri, bestehend aus drei Jahre altem Havana Club Rum, Zitronensaft, Zuckersirup, frischem Basilikum und Martinischaum. Der Drink ist schön grün, schön herb und – so Hansi – hat »Bums«. Deshalb bleibt es auch bei diesem einen, obwohl der Barkeeper mich schon fast zu einem zweiten überredet hat. Er gibt schließlich klein bei: »Ich hoffe aber, Sie mo
rgen Abend wiederzusehen!« Der Umsatz wird am Point of Sale gemacht. Hansi hat das verstanden.
Wertung: sehr gut
MO. 01/05, 07:30
Weckruf
Das Telefon klingelt pünktlich. Eine freundliche weibliche Stimme spricht mich mit Namen an, wünscht mir einen guten Morgen und sagt: »Es ist halb acht – Sie wollten geweckt werden. Bis später dann.«
Wertung: noch gut
09:00
Roomservice 2 – Zimmerfrühstück
Pünktlich läutet es an meiner Tür. Eine polnische Frühstücksdame wünscht freundlich guten Morgen und schiebt einen Servierwagen ins Zimmer. Nach zwei Metern lässt sie ihn stehen und hält mir den Beleg zur Unterschrift hin. Als ich frage, wie ich das denn jetzt machen soll mit dem Frühstück, deutet die Mitarbeiterin tief Luft holend auf den Servierwagen und versichert: »Wagen bleibt hier!« Aha. Ich schiebe also im Erker den kleinen Couchtisch zur Seite, den Servierwagen vor das Sofa und mir selbst dessen Rückenkissen unter den Po. Mit Sonne im Gesicht und der Seebrücke im Blick – ich habe schon an hässlicheren Orten gefrühstückt. Kurz überlege ich allerdings, mir noch ein paar Gäste einzuladen, denn was sich da – mit Metern und Abermetern von Alu- und Frischhaltefolie zugeklebt – vor mir auf dem Wagen türmt, würde eine vierköpfige Familie satt machen. Habe ich wirklich so viel bestellt? Schon, aber doch nur für eine Person! Eine Blume und ein Abräumhinweis haben da wohl einfach nicht mehr draufgepasst. Das Rührei mit Tomaten unter dem Zelt aus Alufolie ist tatsächlich noch heiß und schmackhaft zubereitet. Der Orangensaft ist frisch gepresst und um das obligatorische Apfel-Johannisbeer-Säftchen ergänzt. Die halbe Grapefruit ist ausgelöst und hat einen guten Reifegrad, in zwei großen Schüsseln warten leckeres Birchermüsli und Naturjoghurt – jeweils geschätzte 500 Gramm – auf ihre Vernichtung. Es gibt Marmelade, Honig und Nutella in Portionspackungen, den Serranoschinken, den ich auf dem Buffet vermisst habe, und anstelle des schlichten Seccos vom Buffet gönne ich mir zu diesem Frühstück – genau – meinen dritten und letzten Champagner-Piccolo. Der Teecaddy des Earl Grey, den ich bestellt habe, hing nämlich bei Ankunft des Servierwagens schon im Wasser und ein Teatimer ist Fehlanzeige. Folglich schmeckt der Tee bitter. Von diesen Essensmengen hätte ich mir ein opulentes Lunchpaket zubereiten können – Folie zum Einwickeln hätte ich jedenfalls genug gehabt. Ich stärke mich, so gut ich kann.
Wertung: gut
Front Office: Ein bisschen besser geht noch
Das Migräne-Problem wurde ja vom Front Office bestens abgehandelt. Überhaupt sind die Damen und Herren der Rezeption sehr, sehr nett und sehr bemüht. Lediglich beim Fahrrad-Verleih hätte es ein bisschen mehr sein dürfen. Frau J. stelle ich schließlich noch einmal auf die Probe. In den umliegenden Cafés und Kneipchen habe ich zwar schon »DDR-Mohnkuchen« entdeckt und etwas Essbares, das unter dem Namen »Möwenschiss« verkauft wird. Von ihr will ich jetzt aber wissen, wo es das beste Eis und das beste Fischbrötchen gibt. Frau J. überlegt und nennt mir schließlich zwei Adressen mit der Begründung: »Die Gäste sagen, dass es da gut ist.« Müsste sie derlei nicht ganz einfach wissen?
Wertung: gut
09:45
Check-out
Frau S. und ich plaudern angeregt während des Check-outs und alles geht vorschriftsmäßig vonstatten. Ich erhalte das bestellte Lunchpaket – das sich übrigens später als wenig berauschend herausstellt; hätte ich doch bloß etwas vom Zimmerfrühstück mitgenommen – und es wird nicht einmal berechnet. Die Briefmarke für meine Postkarte hingegen schon. In Summe beträgt die Rechnung 764,16 Euro. Diesmal fährt mich Frau F. zum Bahnhof – offenbar upgegraded in einem dunkelblauen Siebener-BMW.
Wertung: sehr gut
Lost but not Found
»Schaaaaade!« Das Bedauern steht dem netten Rezeptionisten bei meinem Anruf hörbar in die Stimme geschrieben. Er hat alle möglichen Hebel in Bewegung gesetzt, jedoch: Das hochwertig anmutende Kleidungsstück, das ich vermisse (und in einer Schublade im Schrank zurückgelassen habe), ist nicht gefunden worden. Vielleicht hat es jemandem zu gut gefallen.
Wertung: mangelhaft
Nicht im Text: Sicherheit und Öffentliche Bereiche
Bilanz
Die beindruckende unternehmerische Leistung von Rolf Seelige-Steinhoff und seiner Familie ist unumstritten und vielfach ausgezeichnet. Umso weniger wird es dem ambitionierten Hotelier schmecken, dass das Flaggschiff seiner Gruppe beim Tophotel-Test in mehreren Kategorien schlechte Noten bekam. Das »gute« Gesamtergebnis lässt sich auf die durchgehend starke Leistung der Gastronomie zurückführen und auf die ansprechenden, gepflegten Baulichkeiten. Auch das Team hinterließ in puncto Herzlichkeit, Gastfreundschaft und Serviceorientiertheit einen positiven Eindruck, wenngleich sich hier und da noch das berühmte Optimierungspotenzial zeigte. Verwunderlich erschien in diesem Zusammenhang die Nichtpräsenz eines Gastgebers/Hoteldirektors an einem gut gebuchten, langen Wochenende. In Gänze nicht überzeugen konnte das Spa- und Wellnessangebot des Hotels, das sich aufgrund seiner Zertifizierung durch den Deutschen Wellnessverband hohe Maßstäbe anlegen lassen muss.
Gesamteindruck: 70%
Testurteil: gut
100-81 sehr gut; 80-61 gut; 60-41 befriedigend; 40-21 mangelhaft; 20-0 ungenügend. Der Gesamteindruck ist nicht das arithmetische Mittel; die Check-Bereiche sind unterschiedlich gewertet!