#Monotalk Daniel Reuner über Azubi-Recruiting

Daniel Reuner: „Ein Ausbildungstag an einer Schule ist eine Investition in die Zukunft.“ © Flair Hotel Reuner/Franziska Rothe

Hotelchef Daniel Reuner hat die nächste „Flair-Generation“ fest im Blick – sei es im eigenen Betrieb oder in den Reihen der Hotelkooperation, der er als Präsident vorsteht. Mit Tophotel sprach er über seine Recruiting-Strategien.

Hotelier und Flair-Hotels-Präsident Daniel Reuner wusste schon von klein auf, welchen Berufsweg er einmal einschlagen möchte. Seine Begeisterung für die Branche trägt der Inhaber des Flair Hotels Reuner seit nunmehr vielen Jahren als Ausbildungsbotschafter unermüdlich in Kindergärten und Schulen. „Weil es wichtig ist, den Nachwuchs für die Branche reinzubekommen“, sagt er angesichts des Mitarbeitermangels. Das bedeute viel Arbeit, doch die zahle sich letztlich aus. Auch von der Ausbildungsreform hat sein Betrieb profitiert.

Tophotel: Herr Reuner, der jüngsten Dehoga-Umfrage zufolge beklagen rund 65 Prozent der Hoteliers akuten Mitarbeitermangel. Bei den Ausbildungszahlen beobachten die Landesverbände immerhin wieder einen leichten Anstieg und hoffen auf eine Trendwende. Wie sieht es in Ihrem Betrieb aus?

Daniel Reuner: Unsere Mitarbeitersituation ist überdurchschnittlich gut, aber viele Kollegen haben große Probleme, Mitarbeiter zu bekommen – und damit meine ich nicht einmal Fachpersonal. Ich kenne viele Einzelkämpfer, die ihre Budgets herunterfahren, nur noch Frühstücksservice anbieten. Auch zwei unserer Flair-Mitgliedsbetriebe haben ihre Restaurants teilweise geschlossen, weil Personal fehlte. Wer jetzt vor der Rente steht, wird – sollte die Mehrwertsteuer­erhöhung auf 19 Prozent kommen – zum Jahresende dichtmachen. Die jüngsten Hochrechnungen des Dehoga gehen von 12.000 Betriebsschließungen aus. Das ist dramatisch. Immerhin machen die Ausbildungszahlen etwas Hoffnung.

Wie erklären Sie sich dies?

Das hat sicher auch mit der Ausbildungsreform im vergangenen Jahr zu tun. Über die neu lancierten zweijährigen Ausbildungen zur Fachkraft Küche und Fachkraft Gastronomie konnten wir für unseren eigenen Betrieb zwei Nachwuchskräfte gewinnen. Durch die Neuordnung der Ausbildungsberufe können sie später noch ein Jahr draufzusatteln, um den Koch- oder Restaurantfach-Abschluss zu machen. Dadurch haben wir in diesem Jahr unsere Ausbildungszahl verdoppelt, sonst wäre es bei je einem Koch- und Hofa-Azubi geblieben.

Worauf kommt es Ihrer Meinung nach an, um junge Leute für die Branche zu gewinnen?

Wir müssen ihnen zeigen, dass wir ein innovatives Berufsfeld bieten. Gerade Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema für diese Generation. Hier können wir als nachhaltiger Arbeitgeber punkten: Bei uns kommen Gemüse und Kräuter aus dem eigenen Garten, wir sind mit Green Sign Level 5 zertifiziert und leben den Slow-Food-Gedanken. Damit erzeugen wir ein Image, mit dem wir junge Leute gewinnen. Außerdem ist es wichtig, in der Öffentlichkeit und bei den Eltern präsent zu sein.

"Wir fangen im Kindergarten an, Werbung für unseren Betrieb zu machen."

Daniel Reuner, Hotelier und Flair-Hotels-Präsident

Wie gehen Sie das konkret an?

Wir fangen bereits in den Kindergärten an, Werbung für unseren Betrieb zu machen. Das ist quasi zehn Jahre vorausgedacht, doch es braucht diesen Vorausblick bei der Mitarbeiterentwicklung, sonst stehen wir irgendwann ohne da. Wir kochen mit den Kindern, üben Gemüseerkennung. Grund- und Gesamtschulen fragen uns oft für Wandertage an. Die Klassen lernen unser Hotel kennen, probieren sich im Gemüseschnitzen, wobei die Fingerfertigkeit in den letzten Jahren stark nachgelassen hat. Wir sehen dabei, wer Spaß am Beruf haben könnte und wer nicht. Mir ist es wichtig, den Schülern die Berührungsängste gegenüber dem Hotelbusiness zu nehmen. Wir vermitteln, dass unser Haus ein ganz normaler Begegnungsort ist, um Essen zu gehen oder auch mal ein Praktikum zu machen. So gewinnen wir immer wieder Betriebspraktikanten und Schüler, die bei uns arbeiten. Gleichzeitig ist das der erste Schritt in Richtung Lehre, der uns im Ergebnis schon einige Azubis gebracht hat.

Sind Sie denn immer persönlich in den Kitas und an den Schulen präsent?

Ja, ich versuche diese Aktivitäten in unseren Alltag einzubauen – sei es eine Stunde in einer Schule vor Ort oder drei Stunden bei uns im Betrieb.

Das bedeutet einigen Zeitaufwand zusätzlich zum normalen Betrieb?

Das ist richtig. Ich muss mir Zeit nehmen. Doch ich weiß, dass ein Ausbildungstag an einer Schule oder Zeit für Gespräche Investitionen in die Zukunft sind. Ich muss jetzt daran arbeiten, dass wir in fünf oder zehn Jahren Mitarbeiter haben. Also muss ich mir Freiräume schaffen. Das könnte ich beispielsweise, indem ich nur abends aufmache und den Nachmittag anderweitig nutze, oder ich nehme zu Zeiten, in denen ich sowieso arbeite, noch einen Praktikanten dazu. Diese Bemühungen tragen letztlich Früchte, ich muss nur damit anfangen.

Mit welchen Inhalten umwerben Sie die junge Generation an den Schulen?

Als erstes sage ich immer: Bei uns habt ihr es warm und trocken, es gibt Essen und Trinken. Das klingt banal, doch es kommt an. Außerdem mache ich gute Erfahrungen, einen Mitarbeiter dabeizuhaben, der selbst an der jeweiligen Schule gelernt hat und über seinen Berufsweg bei uns berichtet. Das Thema Geld – wir zahlen fast 1.000 Euro für einen Azubi – ist dagegen weniger wichtig, da viele Jugendliche behütet aufwachsen und sich nicht darum kümmern müssen, eine Wohnung oder ein Auto zu bezahlen. Ihnen ist wichtiger, dass der Arbeitsweg nicht lang ist, dass sie ihre Freizeit frei planen können und dass ihre Wünsche diesbezüglich berücksichtigt werden. Für die Dienstplangestaltung ist das herausfordernd, doch wir schaffen es zumeist die Wünsche zu erfüllen. Und das ist, glaube ich, ein großer Mehrwert.

Reuner mit Tochter
Daniel Reuner legt Wert auf Nachhaltigkeit und Regionalität, wie etwa mit einer eigenen Wildschafzucht. Tochter Leni hat er mit seiner Begeisterung bereits angesteckt. - © Flair Hotel Reuner/Franziska Rothe

Welche Benefits bieten Sie darüber hinaus?

Das reicht von Preisvorteilen in anderen Flair Hotels über Tankgutscheine bis hin zur Spenditcard. In Kürze wollen wir über alle Flair-Häuser hinweg einen weiteren Benefit ausrollen, von dem alle Mitarbeiter und somit auch die Azubis profitieren. Dafür arbeiten wir mit der österreichischen Firma Corplife zusammen, die eine digitale Plattform für exklusive Mitarbeiterangebote anbietet, die über 1.500 Marken mit Sonderrabatten listet. Start ist zur Herbsttagung im November.

Über welche Kanäle erreichen Sie die jungen Leute am besten?

Die 16- bis 17-Jährigen sind hauptsächlich an ihrer Schule oder im Internet unterwegs. Dort müssen wir sein. Facebook und Instagram sind wichtige Kanäle, um die junge Zielgruppe über Videos und Werbebanner zu erreichen. Schließlich wächst auch die branchenfremde Konkurrenz rund um Berlin mit Betrieben wie Tesla und Co.

Ihr eigene Karriere war sehr zielstrebig und stringent: Sie haben an Wettbewerben teilgenommen, zahlreiche Preise gewonnen. Nehmen sie die jungen Leute genauso wettbewerbsaffin wahr?

Leider nicht, doch es gibt Perlen. Wir haben gerade einen Koch-Azubi, dem das liegen könnte. Viele Jugendliche haben jedoch eine Egal-Einstellung, setzen auf soziale Hängematte oder strengen sich nicht übermäßig an. Wir beobachten, dass es die Jugendlichen heute viel lockerer angehen, eine Ausbildung zu suchen. Von 20 Schülern haben vielleicht drei, vier eine gefestigte Vorstellung von ihrem beruflichen Weg, der Rest hat wenig oder gar keinen Plan. Früher war das Verhältnis genau umgekehrt.

Wie reagieren Sie auf diese Entwicklung?

Wir müssen uns daran anpassen, wie die heutige Jugend denkt und tickt. Waren früher Statussymbole wie Autos wichtig, sind es heute Handys. Stand einst die Arbeit im Mittelpunkt, wird sie heute zum Beiwerk. An den Schulen versuchen wir herauszufinden, wer weiß, was er einmal werden will. Dann bekommen wir auch die Kandidaten, die Einsatz bringen.

Haben Sie Ihre Ansprüche an neue Azubis geändert?

Ja, wir haben unsere Ansprüche heruntergeschraubt, fokussieren uns nicht mehr nur auf Zweier- und Dreier-Kandidaten, sondern sind auch offen für Abgänger mit schlechteren Notendurchschnitten. Noten sind letztlich zweitrangig, sofern der Azubi Lust auf den Job hat, pünktlich zur Arbeit kommt und mit Kollegen und Gästen umgehen kann. Seit zwei Monaten haben wir einen Azubi mit ursprünglich schlechtem Notendurchschnitt im Team. Er wollte unbedingt in die Branche, blüht gerade völlig auf und präsentiert seine Desserts bereits am Gast. Hier war es gut, ihm eine Chance zu geben.

Viele Kollegen rekrutieren aus dem Ausland, Sie auch?

Wir haben einige polnische Mitarbeiter, die teils pendeln und nur vier Tage arbeiten, sowie zwei nepalesische Mitarbeiter, darunter eine Auszubildende. Sie ist bereits unsere vierte aus Nepal. Unter den Flair Hotels gibt es viele Kollegen, die sich Mitarbeiter aus dem Ausland holen, etwa Familie Bannier vom Deutschen Haus in Arendsee, das zahlreiche vietnamesische Mitarbeiter hat.

>> Lesetipp: Auslandsrecruiting: Praxisbeispiele aus der Hotellerie

Wie sind Ihre Erfahrungen beim Auslands-Recruiting?

Die erste nepalesische Auszubildende kam vor sechs Jahren im Anschluss an ein Au-pair-Jahr bei Bekannten zu uns. Unsere neue Auszubildende haben wir jetzt selbst hergeholt. Die Vorgaben und Richtlinien sind inzwischen einfacher geworden. Wir hatten aber Probleme mit der Botschaft in Nepal, der wir glaubhaft versichern mussten, dass wir als Betrieb für die Auszubildenden da sind.

Ab November tritt das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft – was erwarten Sie sich davon?

Wir sind froh, dass es erweiterte Möglichkeiten für die Einwanderung qualifizierter Fachkräfte nach Deutschland geben wird. Umso einfacher alles wird, umso besser ist es auch für uns.

>> Lesetipp: Was sich mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz ändert

In vielen Flair-Betrieben ist sicher auch die Unternehmensnachfolge ein Thema?

Sicher! Um die Junghoteliers aus unseren Reihen ein wenig an die Hand zu nehmen, hat im Hotel Erck in Bad Schönborn unlängst unser erstes Flair-Next-Generation-Treffen stattgefunden. Dort konnten sich alle über ihre Übergabe-Erfahrungen austauschen. Hinzu kommen wöchentliche Onlinetreffen, bei denen öfter mal ein  Rechtsexperte dabei ist. Das findet große Resonanz. So sind unsere Mitglieder in ständigen Austausch. Der Kooperation bringt das viel, weil wir so viel enger zusammengewachsen sind.

Derzeit ist immer wieder von Job-Ghosting zu hören – kamen Sie damit auch schon in Berührung?

Beim Flair-Stammtisch war das jüngst Thema. Kollegen berichten, dass sie jemanden einstellen wollen, die Zusage da ist, aber der neue Mitarbeiter am ersten Arbeitstag nicht erscheint. Warum das so ist, kann ich nicht genau sagen. Ich denke, dass es sich viele Bewerber kurzfristig anders überlegen. Und in unserer schnelllebigen Zeit, in der das Nichtkommen letztlich ohne Konsequenzen bleibt, ist es eben auch einfach, nicht zu kommen.

Flair Hotel Reuner & Flair Hotels

Daniel Reuner, Jahrgang 1981, ist Inhaber und Geschäftsführer des Dreisterne-Superior-Flair-Hotels Reuner in Zossen bei Berlin und seit 2017 Vizepräsident des Dehoga Brandenburg. Den Betrieb hat der gelernte Koch 2012 von seinen Eltern übernommen und leitet ihn heute in zweiter Generation mit seiner Frau. Die Familie beschäftigt 24 Mitarbeitende, darunter sieben Auszubildende, und bewirtschaftet eine eigene Gärtnerei, züchtet Wildschafe, Wollschweine, Hühner und Bienen.

Seit 25 Jahren ist das Hotel Reuner Mitglied der Flair Hotels. Die Kooperation mit Sitz im fränkischen Ochsenfurt wurde 1983 gegründet und feiert in diesem Jahr ihr 40-jähriges Bestehen. Seit 2020 steht ihr Daniel Reuner als Präsident vor. Zur Vereinigung gehören derzeit 37 Häuser, mit dem Flair Hotel Kamenz und dem Flair Hotel Rieckmann in Bispingen sind in diesem Jahr zwei neue Mitglieder hinzugekommen.