Christian Scheler im #Monotalk Über Hygiene in Pandemiezeiten

Christian Scheler ist Director of Housekeeping im Luxury Spa Retreat & Cultural Hideaway Schloss Elmau. © Schloss Elmau/Ulrike Myrzik

Das Luxury Spa Retreat & Cultural Hideaway Schloss Elmau ist weit über die bayerischen Grenzen hinaus bekannt. Die beiden Fünfsterne-Superior-Häuser mit 162 Zimmern und Suiten und 320 Mitarbeitern mussten sich in Coronazeiten vollkommen neu organisieren. Christian Scheler, Director of Housekeeping, über die damit verbundenen Herausforderungen und den ungewöhnlichen Weg, den er dabei mit seinem Team gegangen ist.
Tophotel: Herr Scheler, Sie sind mit Ihrem Hygienekonzept im Hotel vollkommen neue Schritte gegangen und haben die Behörden quasi mit ins Haus geholt. Wie kam es dazu?
Christian Scheler: Zunächst ging es uns wie allen anderen Hotels auch. Nichts hatte uns auf das Coronageschehen vorbereitet, und der Schock war groß. Durch meine 15-jährige Funktion als Küchenchef im Haus hatte ich natürlich immer Berührungspunkte mit dem Thema Hygiene. Allerdings musste ich mich 2015, als der G7-Gipfel im Haus stattfand, noch mal neu mit der Problematik befassen. Die Maßnahmen haben wir damals im engen Austausch mit dem Landkreis und dem Organisations­stab umgesetzt. Als letztes Jahr der erste Lockdown kam, kannten wir uns also schon ganz gut aus.
Beim zweiten Lockdown haben Sie dann zu einer außergewöhnlichen Maßnahme gegriffen und sich selbst zum Praktikanten gemacht.
Ich habe im örtlichen Gesundheitsamt ein Praktikum gemacht, um möglichst viel dazuzulernen und das Team dort zu unterstützen. In der Zeit von November bis März war ich zuerst im Contact Tracing Team beschäftigt und ab Mitte Dezember mit organisatorischen Aufgaben des Impfzentrums betraut. Später kamen weitere Hotelmitarbeiter dazu, die auch das Callcenter unterstützten. So waren unsere Mitarbeiter bis zum Mai beschäftigt, als wir das Hotel wieder aufmachen konnten.
Was haben Sie in Ihrer Praktikumszeit gelernt?
Abgesehen von den medizinischen und hygienischen Details, viel Flexibilität und schnelles Handeln. Das Team ist zusammengewachsen, und die interne Kommunikation erreichte eine neue Dimension. Als die Hotels wieder öffnen konnten, standen wir in den Startlöchern und haben uns eine Firma gesucht, die uns geholfen hat, innerhalb von drei Tagen ein Testzentrum für bis zu fünfhundert Tests pro Tag vor dem Haus aufzubauen. Es stand nicht nur unseren Gästen, sondern auch allen anderen Interessenten zur Verfügung. Die Vorgaben haben sich fast täglich geändert, aber wir waren und sind immer noch das "Team Vorsicht". Wir legen lieber noch eine Schippe drauf, als dass wir nachlässig werden.
Mit den Gästen mussten Sie einen neuen Dialog beginnen und Dinge ansprechen, die vorher kein Thema waren. Haben Sie mit Widerstand gerechnet?
Am Anfang hatten wir durchaus etwas Skrupel wegen der neuen Maßnahmen, haben aber erfahren, dass es ein neues Bewusstsein bei den Gästen gibt. Bis zum 7. November mussten alle Neuankömmlinge bei uns nach wie vor mit einem negativen PCR-Test anreisen, wenn sie nicht geimpft oder genesen sind. Wir sind direkt auf 2G gegangen und werden, sobald die Logistik dafür zur Verfügung steht, noch zusätzlich testen und das unabhängig vom Impfstatus. Wir legen das eher strenger aus, denn wir wollen das höchste Maß an Sicherheit für unsere Mitarbeiter und unsere Gäste bieten. Wir bekommen nur positive Kommentare, auch wenn wir einen Gast freundlich an die Maske erinnern.

"Transparenz ist im Zusammenhang mit Hygiene sehr wichtig."

Sie kommunizieren sehr offen über Ihre Maßnahmen und Ihr Sicherheitskonzept.
Transparenz ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig! Das gehört zu den Chancen, die die Pandemie mit sich bringt, dass man mehr kommuniziert und alles offenlegt. Mitarbeiter und Gäste sollen genau Bescheid wissen, wie sich das Hotel in dieser Zeit aufstellt und welche Maßnahmen warum durchgeführt werden.
Wie holen Sie Ihre Mitarbeiter ins Boot?
Wir haben seit Corona eine mehrsprachige Mitarbeiter-Kommunikationsplattform im Haus, auf der wir alles Wichtige teilen. Dort gibt es auch Aufklärungskampagnen, einen Impf-Podcast, News über Sicherheitsmaßnahmen und so weiter. Jeder Mitarbeiter kann über einen Log-in daran teilnehmen und ebenfalls Mitteilungen herausgeben. Dieser kurze und schnelle Weg der Kommunikation hat sich sehr bewährt und wird von allen geschätzt. Einen großen Teil des Contents bekommen auch die Gäste zur Verfügung gestellt.
Setzen sich die Gäste alle mit den Maßnahmen auseinander?
Wir haben festgestellt, dass es zwei verschiedene Verhaltensmuster gibt. Manche Gäste überfliegen die Konzepte und beschäftigen sich nicht weiter damit. Andere lesen sich vorher alles über unser Sicherheitskonzept genau durch und fragen nach Details. Wir halten mit nichts hinter dem Berg und setzen ganz stark darauf, dass wir mit dieser Offenheit unsere Gäste noch besser erreichen können. Der Informationsprozess wird von vielen als neue Qualität des Hauses gesehen. Und das Band zwischen Hotel, Mitarbeitern und Gästen gewinnt dadurch an Intensität und Kraft.
Ihr Schutzkonzept ist sehr ausführlich und anspruchsvoll und geht teilweise auch über die geforderten Maßnahmen hinaus.
Wir haben mittlerweile ein wirklich umfangreiches Konzept, das 36 Seiten lang ist. Im Ortsbereich haben wir eine Covid-Klinik, die uns bei den Entwicklungen auf dem Laufenden hält, sodass sich das Protokoll stetig aktualisiert. Jede Änderung, die vom bayerischen Staat kommt, wird von uns diskutiert, und wenn wir sie für nicht ausreichend halten, spielen wir die Karte "Hausrecht" aus und halten lieber schärfere Regeln ein. Man muss immer dranbleiben und selbst weiterdenken, das zahlt sich aus!
Sie haben sich auch zu einem internen Testzentrum entschlossen.
Zuletzt mussten sich Ungeimpfte und Nicht-Genesene täglich in einem hauseigenen Testzentrum testen lassen. Wir planen, das auch unabhängig vom Impf-oder Genesenenstatus zur Pflicht zu machen, um so Impfdurchbrüche früh erkennen und Infektionsketten unterbrechen zu können. Dies gilt für Mitarbeiter und Gäste gleichermaßen.
Sehen Sie diese umfangreichen Maßnahmen auch als besonderen USP für das Hotel?
Absolut! Viele Gäste kommen gerade wegen des Hygiene-Konzepts immer wieder. Wir haben am 21. Mai das Hotel wieder aufgemacht, und es gibt Gäste, die schon das dritte Mal hier sind. Sie begründen ihren Aufenthalt mit dem Vertrauen in die Sicherheit des Hauses. Natürlich könnten sie mittlerweile auch ins Ausland fahren, aber sie fühlen sich hier besser aufgehoben.
Wie schätzen Sie in der heutigen Situation das Thema Hygiene ein?
Ich glaube, dass der Begriff Hygiene nicht mehr passt! Dabei denkt man eher an Schwimmbäder oder Küchen. Ich finde den Begriff Gesundheitsschutz zutreffend. Das ist einfach noch mal weitergedacht, denn der Gesundheitsschutz beginnt beim Eingang der Lobby mit dem Desinfektionsständer und geht bis zur Kontaktverfolgung, um die wir uns kümmern.
Das Hotel hat viel investiert. Mal abgesehen von den Finanzen – welche positiven Auswirkungen sehen Sie?
Natürlich geben wir viel Geld für die Sicherheit aus. Gerade haben wir 6.000 Euro für neue Tests gezahlt und 18.000 Euro für ein neues PCR-Testgerät. Aber diese Ausgaben rentieren sich, denn wir sind in der glücklichen Lage, dass wir nach der Öffnung mehr Gäste haben als vorher. Wir profitieren davon, dass die Leute diese Ausgaben und Anstrengungen zu schätzen wissen und uns ihr Vertrauen schenken. Da entsteht eine neue Qualität von Zuversicht und Entspannung, die sich die Gäste wünschen.
Haben Sie in Ihren Gängen und Räumen auch den typischen Schilder- und Hinweiswald?
Diesen Wald haben wir nach anfänglichen Versuchen deutlich reduziert. Die Leute sehen die Schilder irgendwann nicht mehr und finden sie lästig. Wir achten aber auf Abstand und auf die Anzahl der Personen, die sich in einem Raum aufhalten. Falls es zu viele Leute sind, machen die Mitarbeiter die Gäste freundlich darauf aufmerksam. Dabei hatten wir noch nie Probleme. Dasselbe gilt für die zahlreichen Pools und Saunen.
Die Industrie bietet sehr viele verschiedene Reinigungs- und Luftfilter-System an. Wozu haben Sie sich entschieden?
Wir haben direkt beim ersten Lockdown einen Leasingvertrag für hundert Luftreinigungsgeräte mit Hepa-Filtern abgeschlossen, die sich nun in den öffentlichen Räumen befinden. Ich denke allerdings, dass es einige Hotelbesitzer mit der Technik übertreiben, um damit Werbung zu machen. Das ist eine totale Augenwischerei für meine Begriffe.

"Ein gutes Gesundheitskonzept lebt von geschulten Mitarbeitern."

Was spricht gegen die Geräte?
Ein gutes Gesundheitskonzept lebt von geschulten Mitarbeitern, die bestimmte Maßnahmen umsetzen, und nicht von Geräten. Ich setze auf die Aussagen des Virologen Christian Drosten. Er hat oft betont, dass regelmäßiges Lüften, Abstandhalten und die Handhygiene mehr erreichen als die besten Luftreiniger. Denn für ein perfektes System müsste man das Haus einreißen und ein neues bauen. Sobald aber ein Mensch den Raum betritt oder zum Beispiel Möbel verstellt werden, können professionelle Luftreiniger nichts mehr ausrichten, denn diese Systeme (es geht um die Lenkung von Luftströmen) sind für Operationssäle entwickelt worden. Wir haben die Geräte vor allem deswegen, um den ein oder anderen Gast damit zu beruhigen. An der Effektivität der Luftreiniger zweifle ich jedoch.
Wenn Sie ein oder zwei Tipps geben könnten, um ein Gesundheitskonzept in einem Hotel gut umsetzen zu können, welche wären das?
Transparenz ist alles – den Mitarbeitern und den Gästen gegenüber. Und dann empfehle ich einen engen Austausch mit den lokalen Gesundheitsämtern. Wir werden oft von anderen Hotels um Rat gefragt und können auf kurzem Weg helfen. Ich sehe Schloss Elmau als Leuchtturmhotel, das das Thema Hygiene ganz konsequent und offen umgesetzt hat und beständig weiter daran arbeitet.
Ein Blick in die Zukunft – werden die Menschen Hygiene und Gesundheitsvorsorge verstärkt abfragen und als selbstverständlichen Teil in ihren Alltag integrieren?
Das Bewusstsein hat sich in jeder Beziehung stark geschärft in der Pandemie. Ob dies einen nachhaltigen Effekt hat, traue ich mich nicht vorauszusagen. Ich glaube aber, dass den Menschen nicht nur Corona im Gedächtnis bleibt, sondern auch die Tatsache, dass es weniger Erkältungskrankheiten gab. Vielleicht verzichtet man zukünftig auf übertriebene Höflichkeitsfloskeln wie das Händeschütteln am Hoteleingang. Ich persönlich würde mir das wünschen. Ein freundliches, ehrliches Lächeln – hoffentlich bald ohne Maske – ersetzt jeden Handschlag oder Schulterklopfer.


Katharina Sandtner Monotalk ZitatbildKatharina Sandtner im #Monotalk: Über die Bedeutung von Medical Wellness
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