Tabelware Trends für die Tischgestaltung

Naturverbunden und sinnlich: Villeroy & Boch inszeniert ­diesen Tisch im Boho-Style mit der ­Porzellan-Serie „Perlemor“. © Villeroy & Boch/JUNI GBR - JULIA SCHMIDT & NIKOLAS HAGELE

Die Menschen am Herd machen aus Essen Speisen, und das Geschirr bereitet ihrer Kochkunst die perfekte Bühne. Tophotel hat Tableware-Profis befragt, welche Auswahlkriterien in puncto Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und für die perfekte Inszenierung wichtig sind.

Als „Architektin der Tafel“ versteht sich Wiebke Lehmann. Die ausgebildete Keramikerin und diplomierte Keramikdesignerin ist mit ihrem Unternehmen Tawl sowohl gestaltend als auch beratend tätig ist. „Meine Arbeit beginnt dort, wo die Aufgabe des Innenarchitekten endet“, erläutert die Fachfrau und macht sich dafür stark, der Tableware mehr Aufmerksamkeit zu widmen: „Es ist eine Kunst, einen Tisch so zu decken, dass er zur Tafel wird.“

In Frankreich sei die Kunst der stilvollen Tafel als „l’art de la table“ ein feststehender Begriff. „Er fasst zusammen, was wir beim Essen oft nur unmittelbar wahrnehmen: Essen ist niemals nur Nahrungsaufnahme, sondern ein sinnlicher Akt, bei dem die Umgebung unser Empfinden beeinflusst. Schmeckt das Essen? Ist es ein Hochgenuss? Das hängt wesentlich davon ab, auf welcher Bühne es stattfindet. Erst hochwertiges Geschirr, Besteck, Gläser und Tischwäsche, die mit der Kochkunst eine Einheit bilden, machen ein gutes Essen zum Gesamterlebnis, das Gaumen, Augen und Hände erfreut. Auf diese Zusammenhänge einzugehen, ist seit mehr als 20 Jahren mein Job.“

Barock-Stil kommt zurück

Für die Expertin steht fest, dass ein Tisch Persönlichkeit braucht. Eine Frage des Budgets sei eine kunstvolle Tischgestaltung hingegen nicht: „Individuelle Zusammenstellungen, unerwartete Kompositionen, ein Mix aus bezahlbaren und ausgefallenen Stücken, lassen sie lebendig und nahbar wirken.“ Für die Einsatzbereiche der Hotellerie ist klar: „­Tableware muss ästhetisch sein und zugleich funktional.“ Haltbarkeit und Qualität sind wichtige Kriterien, ebenso eine „dem Ort, seiner Kulinarik und dem Gast angemessene Wertigkeit“.

Derzeit macht Wiebke Lehmann in der Hotelgastronomie vor allem einfache, wenig markante Formen aus – egal ob bei Steinzeug oder Porzellan. „Es entsteht eine formale ­Ödnis, die mich dazu verleitet, vorherzusagen, dass wir uns bald wieder über eine barocke Formensprache freuen werden.“ Kritisch betrachtet die „Tafel-Architektin“ zudem, „dass aufgrund von Kosten und Aufwand kaum noch Tischwäsche verwendet wird. Ich aber freue mich über eine schöne Tischdecke und ordentliche Stoffserviette. Der Sinn von Sets und Läufern erschließt sich mir nicht“. ­Dekoration hingegen erachtet die Berlinerin „als nahezu immer überflüssig“. Die ­Ausnahme: „Frische Blumen. Ein großer Strauß im Eingang und kleine Vasen auf den Tischen genügen.“ Und welche Best-Practices begeistern die Fachfrau? Da nennt sie die „100/200 Kitchen“ und den „Grill“ im Hotel Vier Jahreszeiten, beide in Hamburg. Selbst aktiv werden durfte sie unter anderem in der wiedereröffneten Luisenhöhe im Südschwarzwald, wo sie „Großzügigkeit, Lässigkeit, Detailverliebtheit und Qualitätsverständnis“ aufseiten ihrer Auftraggeber beeindrucken.

Auf dem Tisch wird’s sinnlich

Tableware ist für die Hotellerie eine überwiegend langfristige Investition. Häufig – natürlich mit Abweichungen je nach Klassifikation und Konzept – werden „nur“ punktuelle Auffrischungen vorgenommen. Doch auch dafür ist es wichtig, aktuelle Strömungen zu kennen. Kurt Josef Zalto, Glasdesigner von Josephinenhütte, und Hanne Willmann, die unter ihrem Namen ein multidisziplinäres Designstudio in Berlin führt, sind sich einig, dass Sinnlichkeit in diesem Jahr eine große Rolle auf den Tischen spielt. Beispiele: eine Besteckserie, die quasi durch die Finger gleitet, eine Serviette aus Leinen, mundgeblasenes Glas. „Zudem bilden natürliche, organische Formen, Farben und Materialien einen wohltuenden Kontrast zum Minimalismus vergangener Jahre.“

"Die kommende Saison dominiert ein unkonventioneller, künst­lerischer Umgang mit Farben, Materialien und Texturen.“

Thomas Kastl, Director Dining, Messe Ambiente

Die Natur als Vorbild

Thomas Kastl ist Director Dining bei der jährlich stattfindenden Messe Ambiente in Frankfurt. Tableware-Trends sind sein ­Metier. Die kommende Saison dominiert ihm zufolge ein unkonventioneller, künstlerischer Umgang mit Farben, Materialien und Texturen: „Verschwommene Farbverläufe, Airbrush-Effekte, glattgeschliffenes Porzellan, Glasreflexionen, ein irisierendes Finish oder metallische Spiegelungen setzen besondere Akzente. Strukturierte Oberflächen ­machen aus Geschirr und dekorativen Objekten wie Vasen wahre Eyecatcher.

­Dieser Trend spiegelt sich auch beim Besteck wider – ob in Form von rauen Oberflächen, hochglanzpoliertem Silber, goldenen Akzenten oder farbigem Rosé-Gold.“ Zusätzlich, bemerkt Kastl, prägen Materialien aus der Natur den gedeckten Tisch: „Holz, Stein und Keramik, organische Formen und Farben wie Beige, Creme und Taupe sowie warme Grün- und Erdtöne bringen die Besinnung auf Natur und Nachhaltigkeit zum Ausdruck. Auch Dekorationen und Tisch­accessoires bestehen zunehmend aus Naturmaterialien wie Keramik, Ton, Bast, Holz oder Kork“, so der Experte.

"Es ist eine Kunst, einen Tisch so zu decken, dass er zur Tafel wird.“

Wiebke Lehmann, Geschäftsführerin, Tawl – die Kunst des Tafelns

Mix & Match macht’s

Die Porzellanmanufaktur Fürstenberg kombiniert die genannten Tendenzen in einem Produkt. Metallic trifft Ginkgo – so ließe sich das neue Dekor „Luminea“ in der Geschirrserie „Fluen“ zusammenfassen. Abstrakte Ginkgo-Blätter in zarten Grün- und Champagnertönen mit einem metallischem Perlglanz akzentuieren das Geschirr, das zudem eine leicht erhabene Haptik auszeichnet. Seltmann Weiden wiederum hat für die neue Hotelporzellanserie „Nori“, made in Germany, die Alge grafisch adaptiert. Glatte und relieffierte Flächen variieren. Nori lasse sich zudem spielerisch mit anderen Porzellanserien ­kombinieren.

Mit sanften Farbverläufen in Sand oder Coral eröffnet auch „Perlemor“ von Villeroy & Boch zahlreiche Möglichkeiten zum „Mixen und Matchen“. Das Porzellan im Pottery-Stil mit seinem naturverbundenen Look sei wie gemacht für eine Boho-Hochzeit, darauf verweist man bei der Premiummarke für keramische Produkte. Schließlich sind auch Feierlichkeiten ein wichtiges Standbein der Hotellerie. Schönwald, als weiteres Beispiel, widmet sich dem kreativen Spiel mit Materialassoziationen. Die Gäste werden durch ungewohnte, exklusive Oberflächen überrascht, heißt es aus dem Unternehmen BHS Tabletop: So umfasst die Porzellankollektion „Unlimited“ unter anderem die Dekore „Beton“, „Wall“ – inspiriert von Mauerwerken –, „Granit“, „Schiefer“, „Terrazzo“, „Sisal“, „Woven“ – wie Wollgewebe wirkend – und „Andira“ – anmutend wie Edelholz.

Den Trend „Natur und Nachhaltigkeit“ bestätigt auch Tanja Rinauer, Produkt­marketingmanager bei der Lusini Group aus Wertingen. Sie stellt zudem eine klare Entwicklung hin zu ausdrucksstarkem, bunt gemischtem und farbenfrohem Geschirr fest, einschließlich Gläsern. „Oftmals sind es die langen Tafeln, die in einem wechselnden Farbspiel mit vielfältigem Geschirr beeindrucken. Auch bunte Servietten, Dekorationen und gemusterte Tischwäsche bringen Lebensfreude auf den gedeckten Tisch. ­Farbige Kerzen und lebendige Blütenarrangements runden dieses Konzept ab.“

Tanja Rinauer sieht grundsätzlich noch großes Potenzial bei der Tableware in der Hotellerie: „Es ist essenziell, seinen Gästen bereits beim Platznehmen einen unvergesslichen Wow-Moment zu bieten und dabei nicht zuletzt an ‚Instagrammable Places‘ zu denken.“