Schaumwein & Spirituosen Prickelndes mit Kult-Potenzial

Weinlese in den Weinbergen
Tradition und Handwerk: Die Winzer von Nyetimber bei der Weinlese in den sonnendurchfluteten Weinbergen Südenglands. © Nyetimber

Innovative Erzeuger und kreative Bartender setzen neue Maßstäbe und bringen frischen Wind in die Schaumwein- und Cocktailkultur – die boomende Szene begeistert Genießer.

Die Welt der Schaumweine durchläuft gerade eine spannende Entwicklung, mit kreativen Innovationen und hohem Kultpotenzial. So wenden sich zahlreiche Weingüter außerhalb der Champagne der traditionellen Méthode Champenoise – der klassischen Flaschenreifung – zu, um hochwertige Schaumweine zu erzeugen. Auch auf dem Gourmetfestival „Summit Savoury“, einem kulinarischen Event mit verschiedenen Winzern und Gastköchen, das im September zum zweiten Mal im Viersterne-Superior-Genießerhotel Alpenstern in Vorarlberg stattfand, gab es inspirierende Einblicke von den Experten fürs Prickelnde. Hotelchef und Sommelier Max Steinfeld, Winzer Alwin Jurtschitsch aus dem Kamptal und Head of Sales Karl Thögersen vom südenglischen Weingut Nyetimber sowie Barchef Oliver Polster vom Hotel Alpenstern beantworteten Fragen zu aktuellen Trends in der Weinproduktion, den Herausforderungen des Klimawandels und den neuen Vorlieben der Gäste.

Max Steinfeld beobachtet eine klare Bewegung hin zu kleineren Produzenten: „Immer mehr Winzer bringen herausragende Schaumweine hervor, die sowohl preislich als auch qualitativ problemlos mit den großen Häusern mithalten können.“ Darüber hinaus interessierten sich die Gäste zunehmend Für die Herkunft und den Arbeitsstil des Winzers, wobei biologischer und biodynamischer Anbau immer mehr an Bedeutung gewinne.

Besonders faszinierend verfolgt Max Steinfeld die Entwicklung von „English Sparkling“ – Schaumweinen aus England, die zunehmend in den Fokus von Sommeliers rückten. „Die Böden dort sind identisch mit denen der Champagne, und das Klima ähnelt dem der Champagne vor 15 Jahren“, so Steinfeld. Trotzdem gebe es oft noch Erklärungsbedarf bei den Gästen, da die Region für viele diesbezüglich Neuland sei.

AS_Summit_Savoury_2024
Beim „Summit Savoury“ begrüßt die Crew des Genießerhotels Alpenstern jährlich spannende Gastwinzer und -brenner. - © Magda & David / Hotel Alpenstern

Auch trockene Varianten wie Brut Nature, die das Terroir stark betonen, erfreuten sich wachsender Beliebtheit. Karl Thögersen vom Weingut Nyetimber bestätigt diesen Aufschwung. „Englischer Schaumwein hat durch internationale Auszeichnungen an Bekanntheit gewonnen“, so der Vertreter des Weinguts, das unter der Leitung von Eric Heerema zahlreiche Innovationen wie den ersten Rosé Multi-Vintage und die erste englische Prestige-Cuvée auf den Markt brachte. „Wir haben den Weg für die Produktion von Schaumwein in England geebnet“, heißt es bei Nyetimber stolz.

In Österreich setzt Winzer Alwin Jurtschitsch auf lokale Rebsorten, um den Schaumweinen eine besondere Note zu verleihen: „Neben den klassischen Champagner-Rebsorten wie Chardonnay und Pinot Noir sind die autochthonen Rebsorten Grüner Veltliner, St. Laurent und Zweigelt die Schlüssel, um Schaumweine zu produzieren, die eine Geschichte des Kamptals erzählen.“ Auch in der Barwelt spielt Schaumwein eine Rolle, wie Head Bartender Oliver Polster berichtet. „Wir beobachten internationale Trends, aber am Ende bestimmen wir in der Bar selbst, was beim Gast gut ankommt“, erläutert er. Schaumweine, vor allem in Kombination mit Cocktails, blieben hier ein beliebtes Thema, auch wenn die Gäste gern den Empfehlungen der Barkeeper folgten.

Zwischen Genuss und Anspruch: Die große Challenge für Hoteliers

Alkoholfreie Alternativen gewinnen ebenso an Bedeutung, da immer mehr Menschen – insbesondere jüngere Generationen – weniger Alkohol konsumieren möchten. Max Steinfeld sieht die wachsende Nachfrage nach alkoholfreiem Schaumwein, weist jedoch auf die Herausforderungen bei der Herstellung hin: „Die Alkoholentziehung kann viel Geschmack kosten. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen, denn es gibt viele schlechte, aber nur wenige wirklich gute alkoholfreie Alternativen.“

Alwin Jurtschitsch teilt diese Bedenken und setzt auf natürliche Optionen: „Weine technisch zu entalkoholisieren ist für uns schwer vorstellbar. Stattdessen könnte Verjus, der Saft unreifer Trauben, eine erfrischende Basis für alkoholfreie Cocktails bieten.“ Auch bei Nyetimber liegt der Fokus weiterhin auf traditionellem Schaumwein, alkoholfreie Varianten stehen nicht im Vordergrund. Für Oliver Polster sind alkoholfreie Cocktails hingegen eine kreative Herausforderung: „Alkoholfrei heißt nicht langweilig. Es gibt mittlerweile viele Möglichkeiten. Es kommt darauf an, welchen Geschmack man erzielen möchte. So kann man zum Beispiel einen alkoholfreien Gin Fizz mit Cran­berry verfeinern, um ihn fruchtiger zu machen. Ein weiteres Beispiel: eine schockgefrostete Gurke mit einer Microplane über den Drink gerieben ergibt eine Art Gurken-Granita, die eine tolle Frische verleiht. Auch hier gilt: Geht nicht gibt’s nicht!“ Insgesamt zeigt sich, dass die Herstellung hochwertiger alkoholfreier Alternativen viel Fingerspitzengefühl und kreative Ansätze erfordert, um Geschmack und Qualität auf hohem Niveau zu halten.

Vielseitiger Begleiter

In der gehobenen Gastronomie haben Schaumweine eine zentrale Rolle eingenommen, um unvergessliche Erlebnisse zu schaffen. Laut Karl Thögersen von Nyetimber und Winzer Alwin Jurtschitsch erkennen immer mehr Gastronomen das Potenzial von Schaumweinen als vielseitigen Begleiter für mehrgängige Menüs und nicht nur als Aperitif. Jurtschitsch betont: „Die gehobene Gastronomie hat erkannt, dass Schaumweine nicht nur als Aperitif, sondern als sinnvolle Speisenbegleiter in mehrgängigen Menüs integriert werden können. Gerade Brut Nature Vintage-Sekte, in Weingläsern serviert, eignen sich dafür hervorragend.“

AS_Summit_Savoury_2024_Gäste
Die „Bar Novum“ ist beim Alpenstern-Genießer-Event der „Place to drink“. - © Magda & David / Hotel Alpenstern

Die Auswahl von Schaumweinen für Hotelrestaurants erfordert einen maßgeschneiderten Ansatz, der über die herkömmlichen Anforderungen im Weinhandel hinausgeht. „Hotels verkaufen nicht nur eine Flasche Wein – sie bieten ein komplettes Erlebnis“, so Karl Thögersen. „Unsere Weine sind so konzipiert, dass sie diesen hochwertigen, unvergesslichen Touch liefern.“ Darüber hinaus beobachten wir einen wachsenden Trend zu Verkostungserlebnissen, bei denen die Gäste nach Schaumweinen suchen, die ihre kulinarischen Abenteuer ergänzen.

In puncto Gewinnspannen erklärt Max Steinfeld, dass diese im Hotelbereich stark von der Kalkulation abhängen: „Ich habe gelernt: Kalkuliere fair, und der Gast dankt es dir mit einer zweiten Flasche, die er gerne trinkt. Letztendlich bringt die tollste Weinkarte nichts, wenn die Preise zu hoch kalkuliert sind und keiner etwas davon trinkt, weil er sich abgezockt vorkommt.“ Diese Philosophie trägt dazu bei, ein hochwertiges und unvergessliches Erlebnis zu bieten, während die Weinkarten mit einer größeren Auswahl an Jahrgängen und besonderen Reserven gestaltet werden, die den Gästen ein erstklassiges Erlebnis bieten.

Nachhaltigkeit und Klimawandel: Herausforderungen und Chancen

Die aktuellen Klimaveränderungen haben tiefgreifende Auswirkungen auf die Schaumweinproduktion. Alwin Jurtschitsch beschreibt die extremen Wetterbedingungen, die selbst das kühle Kamptal beeinflussen: „Hitze und Trockenheit, gefolgt von Regenfällen und Hochwasser, haben uns in diesem Jahr überrascht.“ Um die Eleganz und Frische der Schaumweine zu erhalten, setzt das Weingut bereits seit Jahren auf die höchstgelegenen und kühlsten Parzellen für die Sektproduktion. Der Erhalt eines ausgewogenen Bodens ist dafür entscheidend. „Biologische Bewirtschaftung, Humusaufbau und vielfältige Begrünungen im Weinberg sind die Grundlage, so Jurtschitsch.

Für das Weingut Nyetimber bietet das Klima zwar gute Bedingungen für die Sparkling-Wine-Produktion, bringt jedoch auch einige Herausforderungen mit sich. „Einige unserer besten Jahrgänge gelten laut langfristiger Temperatur- und Niederschlagsaufzeichnungen als durchschnittlich. Mit anderen Worten, selbst ein typischer englischer Sommer kann großartige Weine hervorbringen“, erläutert Thögersen. Das Klima ermögliche eine langsame Reifung der Trauben, sodass optimale Reife- und Säurewerte sowie die Komplexität und Finesse erreicht würden, für die diese Weine bekannt seien. Dennoch bringen die wärmeren Winter Herausforderungen wie Frost und Temperaturschwankungen während der Wachstumsperiode mit sich. Die lange Wachstumsperiode und die milden Winter bleiben jedoch von zentraler Bedeutung, um eine optimale Reife der Trauben zu gewährleisten.

Max Steinfeld betont die wachsende Relevanz von Nachhaltigkeit in der Auswahl von Schaumweinen: „Das Thema ist für die Konsumenten immer wichtiger geworden, besonders durch das gestiegene Bewusstsein für den Klimawandel.“ Die steigenden Temperaturen stellen Winzer vor die Herausforderung, geeignete Rebsorten auszuwählen und die Anbaumethoden anzupassen. Oliver Polster ergänzt, dass Nachhaltigkeit auch in der Bar eine Rolle spielt: „Wir sind mittlerweile bekannt für unsere Milk-Punch-Kreationen, die wir oft mit Champagner oder Prosecco verfeinern. Das Besondere daran ist, dass wir den Schwund bei unserem Offenausschank komplett minimiert haben, da wir einige unserer Kreationen karbonisieren, und dafür kann man auch den abgestandenen Champagner großartig verwenden. Eine Win-win-Situation.“

Heute Geheimtipp, morgen begehrtes Terroir

Die Zukunft des Schaumweinmarkts in Österreich scheint vielversprechend, insbesondere in Regionen wie dem Kamptal, wo die klimatischen und geologischen Bedingungen nahezu ideal sind. „Je besser wir Winzer das Potenzial unserer Böden und unentdeckter Lagen verstehen, desto mehr werden wir uns in Richtung Terroir-Einzellagen bewegen“, so Jurtschitsch. Während Kamptaler Schaumweine derzeit noch als Geheimtipp gelten, ist Alwin Jurtschitsch überzeugt, dass sie in Zukunft den gleichen Stellenwert erreichen werden wie die renommierten Schaumweine aus anderen Ländern.

Auch das Weingut Nyetimber sieht einen Anstieg der Nachfrage nach hochwertigen nachhaltigen Schaumweinen, da Verbraucher zunehmend Wert auf Herkunft und Handwerkskunst legten. Die Verpflichtung zur Qualität zeige sich in der traditionellen Herstellung der Weine aus 100 Prozent eigenen Trauben, was eine vollständige Kontrolle über den Produktionsprozess ermögliche. Max Steinfeld stellt fest, dass sich die Schaumweinkultur verändert hat, da versierte Trinker verstärkt zu kleineren Erzeugern tendieren und weniger Wert auf die großen Namen legen. Der Trend geht hin zu trockenen Schaumweinen, die das Terroir betonen, während das Interesse der Gäste an biologischem und biodynamischem Anbau wächst. Die Nachfrage nach Transparenz über die Herstellungsprozesse und die Personen hinter den Weinen nimmt ebenfalls zu, was die Schaumweinproduktion in eine spannende neue Richtung lenkt.

Die Schaumweinlandschaft durchlebt gegenwärtig eine bemerkenswerte Renaissance, die durch innovative Winzer und kreative Bartender vorangetrieben wird. Die Kombination aus Tradition und Modernität, gepaart mit einem wachsenden Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Herkunft, gestaltet das Genusserlebnis neu. Während Regionen wie das Kamptal und Südengland aufstrebende Akteure im Schaumweinmarkt darstellen, zeigt sich, dass sich die Anforderungen der Verbraucherinnen und Verbraucher zunehmend ändern: Qualität, Authentizität und handwerkliches Können gewinnen an Bedeutung. In Bars und Restaurants werden Schaumweine nicht mehr nur als Aperitif, sondern als vielseitige Begleiter für kulinarische Erlebnisse geschätzt.

"Der Trend geht zu Brut Nature"

Maximilian Steinfeld
Max Steinfeld, Sommelier und Hotelier, Alpenstern Damüls - © David Schreyer

Herr Steinfeld, Schaumweine erfreuen sich großer Beliebtheit – wie viel Innovation beobachten Sie in dem Segment?

Es ist viel in Bewegung: Immer mehr kleinere Winzer liefern mittlerweile extrem gute Qualitäten, die den größerern Häusern qualitativ in nichts nachstehen und dabei preislich deutlich attraktiver sind. Ebenso beschäftigen sich viele Weingüter außerhalb der Champagne mit der Herstellung von Schaumweinen nach der Méthode Champenoise, also der klassischen Flaschenreifung. 

Wie hat sich die Schaumweinkultur in den vergangenen Jahren verändert, und welche Trends sehen Sie?

Bei den Gästen geht der Trend mehr in Richtung Brut Nature, also sehr trockene Champagner, welche das besondere Terroir, auf dem sie wachsen, perfekt zum Ausdruck bringen. Außerdem möchten Gäste immer öfter wissen, welcher Winzer hinter der Marke steht und wie er arbeitet. Stichworte sind hier biologischer oder biodynamischer Anbau.

Welche aufstrebenden Weinregionen oder -lagen finden Sie besonders spannend?

English Sparkling, also Schaumweine aus England, erleben derzeit einen Aufschwung im Sommelierbereich. Auch Regionen wie die Pfalz oder das Kamptal in Österreich produzieren Schaumweine von höchster Qualität. In der Champagne schätze ich besonders die Weine kleiner, unabhängiger Produzenten, wie Elise Bougy oder Frédéric Savart – Terroir und Hingabe pur.