Bewusster Genuss, Regionalität und Erlebnis-Charakter – diese Trends machen auch vor der Hotelbar nicht halt. Dort braucht es längst mehr als nur gute Drinks. Inszenierung, gutes Marketing und Ideen sind gefragt. Ein Streifzug durch die Szene.
Wenn der Gast nicht in die Bar kommt, dann kommt die Bar eben zum Gast: So lautet die Devise im Boutique-Hotel Volkshaus Basel, wo die Drinks neuerdings quasi zwischen die Laken und nicht nur in der hauseigenen „Imi Bar“ serviert werden. Immer donnerstags bis samstags schiebt geschultes Personal von 17:45 bis 19 Uhr einen gut sortierten und hübsch arrangierten Barwagen von Zimmer zu Zimmer und hält dort an, wo die Tür aufgeht. Die rollende Theke hat Bier, Weiß- und Rotwein, Champagner, Cola oder Kombucha im Angebot, auch an Snacks wie Nüsse und Popcorn ist gedacht.
Zu den Empfehlungen des „Flying Bar Chefs“ gehören der Volkshaus Negroni und der Volkshaus Dry Martini, denn hier kommen lokal produzierter Gin und Vermouth der Basler Destillerie Gryff sowie Wein vom Baselbieter Weingut Jauslin ins Glas. Serviert auf einem schön designten Holztablett wandern die Drinks in die Zimmer. Was bestellt wurde, darf ganz unkompliziert auf selbige geschrieben werden. Wer sich Nachschub für den heimischen Ausschank wünscht, kann diesen an der Rezeption erwerben.
Der Aura des Geheimnisvollen bedient sich dagegen das frisch eröffnete W Budapest mit der „Speakeasy-Bar Society25“ im Untergeschoss des Hotels. Diese ist inspiriert von geheimen Tischgesellschaften, die in der Vergangenheit in diesem Raum stattfanden. Die Cocktailkarte umfasst acht eigens kreierte Cocktails, die den Epochen, Menschen und Ereignissen der Stadt Tribut zollen, darunter der „The Illusionist“, benannt nach dem großen Houdini, die „Frisky Lady“, inspiriert von Zsa Gabor, oder „Brew Bop“, eine Anspielung auf das goldene Zeitalter des Kaffees in Budapest. Der Clou ist nicht zuletzt eine geheime Zutat in jedem Drink, über die Chef-Barkeeper Stefano Ripiccini wacht.
Den Trend, das Getränke-Erlebnis mit Food zu verbinden, greift das 25hours Hotel Zürich Langstrasse auf. Für die hauseigene „Cinchona Bar“ hat Küchenchef Sebastian Haase mit Food-Spezialistin Lauren Wildbolz pflanzenbasierte Barfood-Alternativen kreiert, die die Gäste zu bewusstem Essen animieren sollen. Dabei ist ein asiatisch inspiriertes Menü entstanden, das sowohl herzhafte Gerichte wie „Good Fortune Bao Buns“ mit Thai Basilikum-Mayonnaise, „Panko Fried Magic Mushrooms“ mit Zitronengras-Mayonnaise oder Pastinaken-Pommes mit Trüffelmayonnaise bietet, wie auch süße, saisonal wechselnde Mini-Tartes mit Schokostreuseln und Calamansi Sauce. „Mit dem Barfood möchten wir zeigen, wie geschmacksintensiv pflanzenbasiertes Essen ist“, so Wildbolz, die als Pionierin der pflanzenbasierten Gastronomie in der Schweiz gilt. Auch zeige die Karte mit ihren knusprig frittierten Gerichten, dass es nicht immer nur leicht und gesund sein müsse. Das Projekt in Zürich dient dabei zugleich als offizieller Pilot für die ganze Hotelgruppe.
Virgin-Varianten gefragt
Längst in der Barszene angekommen ist auch der Trend zu Gesundheit, Wellness und Achtsamkeit. Entsprechend erfreuen sich alkoholfreie Getränke immer größerer Beliebtheit. Die in der Cinchona Bar typischerweise servierten Highballs hat Bar Manager Patrik Horvath mit dem „Forester und Riddler Highball“ nun auch alkoholfrei kreiert. Ebenso neu auf der Karte sind Weine von Kolonne Null und Lola Bier. Dazu wurde die von den 25hours-Machern Steffen Fox, Bruno Marti, Michael End, Christoph Hoffmann und Henning Weiß entwickelte Aperitivo-Marke Companion, die in allen Hotels der Gruppe in Europa ausgeschenkt wird, um eine alkoholfreie Variante erweitert. Der „Companion Designated Driver“ aus Orangenschalen, Chirettakraut, Quassia-Bitterholz und Wermuth wird in der Hamburger Nordcraft Destillerie hergestellt. „Achtsames Essen und Trinken spielen eine zunehmend wichtige Rolle in unserer Gesellschaft“, sagt Bruno Marti. „Deshalb haben wir mit dem Designated Driver ein Produkt im Angebot, das beweist, dass mediterraner Aperitivo mit dem typischen Geschmack eines bitteren Likörs auch alkoholfrei geht.“
Drinks mit Wow-Effekt
Kreationen ohne Alkohol sowie gekonnte Inszenierung bedient auch das Schweizer Luxushotel The Chedi Andermatt. Für diese Saison sind 16 neue Cocktails entstanden, darunter vier Kreationen ohne Alkohol. Der „Pomodoro e Fragola“ wird in der Tomatendose serviert, der „Anderjito“ mit Schweizer Rum, Bergthymian und Tonic Water wiederum versteht sich als regionale Neuinterpretation des Virgin Mojito. Alle Drinks sind von den vier Elementen inspiriert. „Feuer, Wasser, Erde und Luft haben Einfluss auf die Balance und die Gesundheit unseres Organismus“, erläutert Elmir Medunjanin, Leiter von The Bar and Living Room. „Sie sollten im Gleichgewicht sein, um Stärke, Energie, Kraft und Ruhe zu erlangen. Und genau dies spürt man in unseren Signature Drinks.“ Neu ist auch die Bar-Karte in Form einer Drehscheibe, damit sich die Gäste nicht von Beschreibungen, sondern von Geschmacksrichtungen leiten lassen. Wer an der Karte dreht, sieht sofort, wie sauer, fruchtig, süß, bitter oder umami ein Getränk ist.
„Achtsames Essen und Trinken spielen eine zunehmend wichtige Rolle in unserer Gesellschaft.“
Bruno Marti, Executive VP of Brand Marketing, Ennismore, 25hours Hotels, Tribe Hotels
Auch im Fünfsterne-Hotel Krallerhof in Leogang im Salzburger Land war den Machern eine simple Getränkekarte für die „Glocke. Die Bar“ nicht genug, vielmehr sollte es gleich ein ganzes Barbuch sein. Mehrfach ausgezeichnet, wird dieses nun bereits in zweiter Auflage gedruckt. Das Werk ist befüllt mit einer Vielfalt von Eigenkreationen, Signature Cocktails und bewährten Klassikern, die dem Credo „Essenz der Umgebung“ Rechnung tragen. Hier spielt nicht zuletzt Senior-Chefin Ella Altenberger eine Rolle, die neben selbstgemachtem Fichtenhonig und Holler-Sirup jeden Sommer Essenzen aus ihrem Kräuter-Garten ansetzt, die das restliche Jahr fester Bestandteil in den Drinks von Barkeeper Daniel Hatzer sind. Darunter etwa der Cocktail „Heimatleuchten“, ein Drink mit Pontica Red Vermouth, Verjus, Rosenlimonade und Holler-Sirup.
Regionalität und Zero Waste sind Thema bei Dejan Trifunovic von der „Donnersmarkt Apero & Cocktail Bar“ im Hotel Almanac Palais Vienna. Der Barkeeper lässt sich regelmäßig auf Wiener Märkten von Gewürzen und saisonalem Obst für seine Drinks inspirieren. Cocktailkirschen bezieht er regional und legt sie selbst ein, übrig gebliebene Zitronenschalen verarbeitet er zu Sirup. Für die Signature Drinks verwendet er österreichischen weißen Rum. Sein Cocktail „Mina Harker“ wurde von einer Figur aus dem Roman „Dracula“ inspiriert. Grapefruitlikör und -saft, Noten von Pampelle und Zitronensaft sorgen für eine rote Farbe, die Draculas Blut symbolisiert. Die weiße hausgemachte „Raffaelo-Espuma“ steht für Unschuld, und „crispy“ Erdnussraspel für Draculas Biss.
Trifunovics Lieblingsdrink von der Barkarte ist dabei ein „Retro-Gimlet“, den er mit selbstgemachtem Lime Juice sowie einer Erdbeere, die von einer Kaffeebohne „geküsst“ wurde, serviert.
Retro & frische Impulse
Retro-Drinks stehen auch bei Barkeeper Don Vidura Nilaksha Colambage vom Hotel Il Sereno Lago di Como am Ostufer des Sees hoch im Kurs, der den Klassiker Negroni immer wieder neu interpretiert, etwa als „Negroni der Segler“ („del Marinaio“) mit dem ätherischen Öl der Bergamotte oder als „Negroni affumicato“, bei dem der chinesische Schwarztee Lapsang Souchong für eine rauchige Note sorgt. Statt Gin kommt Tequila mit ausgeprägten Zitrusaromen zum Einsatz. Dass auch der Nachwuchs für Impulse an der Hotelbar sorgen kann, zeigt der Young Star Award der H-Hotels, der Anfang Juni zum zehnten Mal verliehen wurde. Beim dazugehörigen Cocktailwettbewerb können die Auszubildenden ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Den Sieger-Cocktail „Little Monkey“ von Roslina Sutopo-Remling, Hotelfach-Auszubildende im H+ Hotel Köln-Brühl, ist ab sofort ein Jahr lang an den Bars aller H-Hotels erhältlich.