Grüne Küche Pflanzliche Finesse: Chefs werden kreativ

Frückstück im Seegut Zeppelin am Bodensee
Kreative Chefs sind dabei, die vegetarische und vegane Küche auf ein neues Level zu heben. Ihre innovativen Konzepte setzen auf Regionalität, alte Techniken und eine vollständige Verwertung der Zutaten. © Winfried Heinze

Kreative Chefs sind dabei, die vegetarische und vegane Küche auf ein neues Level zu heben. Ihre innovativen Konzepte setzen auf Regionalität, alte Techniken und eine vollständige Verwertung der Zutaten. Das gefällt selbst anspruchsvollsten Gästen.

Die pflanzliche Küche erlebt in der Hotellerie derzeit eine spannende Transformation – kreative Konzepte und ein wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit prägen die Kulinarik. Immer mehr Hotels setzen auf innovative, pflanzliche Menüs, die nicht nur auf Fleisch verzichten, sondern durch frische, regionale Zutaten und außergewöhnliche Zubereitungstechniken begeistern. Im Rahmen eines intensiven Austauschs über die neuesten Trends, Herausforderungen und Gästevorlieben diskutierten Vera Schölzhorn, Marketing Managerin der Tenne Lodges & Chalets in Ratschings, und Hendrik Fennel, Geschäftsführer des Seegut Zeppelin am Bodensee, darüber, wie die Hotellerie heute auf pflanzliche Vielfalt und Nachhaltigkeit setzt, um den Ansprüchen der Gäste gerecht zu werden.

Im Mittelpunkt der Küchen beider Häuser steht die Verwendung regionaler und saisonaler Produkte. Dabei legt das Fünfsternehotel in Ratschings großen Wert auf enge Kooperationen mit lokalen Bauern. Das soll sowohl kurze Transportwege gewährleisten als auch die Qualität der Zutaten sichern. „Frisches Gemüse und Obst der Saison hat intensivere Aromen. Somit können wir einzigartige Geschmackserlebnisse schaffen und unseren Gästen ein pflanzliches Highlight auch ohne Fleischimitate bieten“, sagt Vera Schölzhorn.

Auch Hendrik Fennel vom Seegut Zeppelin setzt auf enge Partnerschaften mit Biobauern und ergänzt das Angebot durch frische Zutaten aus dem eigenen Garten, der eine Vielzahl an Wildkräutern, Obst und Gemüse liefert. „Die Natur, geprägt von der jeweiligen Jahreszeit, ist unsere größte Inspiration“, so Fennel. Diese Philosophie spiegelt sich nicht nur in der Menügestaltung wider, sondern auch in der Auswahl der Zutaten, die alte Sorten wie gelbe Himbeeren und innovative Produkte wie Lupinen oder Ackerbohnen aus der Region umfasst.

Naturküche: modern und kreativ in Szene gesetzt

Fermentieren, Einlegen und Dörren gehören ebenso zum Repertoire der Hotels wie der Einsatz moderner Geräte wie Pacojet oder Schockfroster. Die Küchen beider Häuser kombinieren traditionelles Handwerk mit innovativen Techniken, um die natürlichen Aromen der Pflanzen hervorzuheben. „Unsere Gerichte sollen nicht das Gefühl vermitteln, auf etwas verzichten zu müssen“, betont Vera Schölzhorn. Vielmehr stünden die pflanzlichen Zutaten im Fokus, deren natürliche Aromen durch kreative Zubereitungstechniken betont würden. Ziel sei es, jede Pflanze in ihrer reinsten Form zu präsentieren, wobei zusätzliche pflanzliche Geschmacksnoten behutsam und gezielt eingesetzt werden.

"Pflanzliche Gerichte sollen nicht das Gefühl vermitteln, auf etwas verzichten zu müssen. Stattdessen stehen die natürlichen Aromen im Fokus."

Vera Schölzhorn, Marketing Managerin, Tenne Lodges & Chalets

Einigkeit herrscht auch darüber, dass eine hochwertige pflanzliche Küche mehr sein muss als der Ersatz von Fleisch- oder Milchersatzprodukten. „Vegan bedeutet nicht, Fleisch durch stark verarbeitete Ersatzprodukte zu imitieren“, stellt Hendrik Fennel klar. „Stattdessen sollte der Geschmack der natürlichen Zutaten voll zur Geltung kommen.“ Beide Häuser verzichten bewusst auf Ersatzprodukte, die häufig chemische Zusätze enthalten. Ein veganes oder vegetarisches Menü sei dann erfolgreich, wenn es geschmacklich begeistere und in Erinnerung bleibe. Entscheidend seien nicht nur Texturen sowie die Betonung von Säure, sondern auch die Kombination von verschiedenen Geschmacksrichtungen. Das macht für Schölzhorn und Fennel den wesentlichen Unterschied.

Lebensmittel nicht verschwenden: von der Wurzel bis zum Blatt

Immer mehr Hotels versuchen, die Verschwendung von Lebensmitteln möglichst zu vermeiden. In den Tenne Lodges & Chalets in Ratschings wird daher auf die vollständige Verwertung der gesamten Pflanze gesetzt. „So entstehen etwa Chutneys aus Wassermelonenschalen, Pesto aus Petersilienstängeln oder Pektin aus Apfelschalen für Marmeladen“, berichtet Vera Schölzhorn. „Solche Verwertungsmethoden brauchen zwar etwas mehr Zeit, aber sie sind ein wichtiger Beitrag zu unserer nachhaltigen Küchenphilosophie.“ Das Seegut Zeppelin, zu dem das Restaurant Pinus gehört, geht noch einen Schritt weiter und verzichtet komplett auf Buffets, da sie zu überflüssigen Resten führen. Ein Konzept der kleineren Portionen hilft ebenfalls, da es den Gästen erlaubt, ihren Appetit besser einzuschätzen. Auch sorgen Kompostierung und Weiterverarbeitung der clever genutzten Reste dafür, dass kaum Abfälle entstehen. „Das Konzept ‚Leaf to Root‘ ist unser Pendant zu ‚Nose to Tail‘ in der Fleischküche“, erläutert Hendrik Fennel. So werden alle Teile eines Produkts genutzt – aus Karottengrün und Feigenblättern wird Pesto gemacht, die Kartoffelschalen werden für Öl verwendet und übrig gebliebenes Brot wird weiterverarbeitet.

Trends: pflanzenbasierte Menüs als Zukunftsmodell

Die pflanzliche Küche muss nicht versuchen, Fleischgerichte zu imitieren, sondern sollte eigenständig mit ihren einzigartigen Texturen und intensiven Aromen überzeugen. Dies gelingt durch die kreative und geschickte Verwendung hochwertiger saisonaler Zutaten, die den natürlichen Geschmack der Pflanzen hervorheben. Vera Schölzhorn beobachtet allerdings, dass die Nachfrage nach veganen Gerichten zuletzt deutlich zurückgegangen sei. „Vegetarische Optionen sind jedoch nach wie vor sehr gefragt, besonders wenn sie kreativ und exklusiv gestaltet sind“, betont sie. Hendrik Fennel vom Seegut Zeppelin unterstreicht, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit für ihn kein Widerspruch sind. „Unsere pflanzlichen Gerichte kalkulieren wir genauso wie Fleischgerichte – wir berücksichtigen den Wareneinsatz, die Verarbeitungskosten und den Arbeitsaufwand.“ Während ein Radieschen relativ unkompliziert zuzubereiten sei, erfordere eine Artischocke deutlich mehr Aufwand, was sich auch im Preis widerspiegelt. „Durch die niedrigeren Einkaufspreise pflanzlicher Zutaten können wir diese Vorteile direkt an unsere Gäste weitergeben“, so Fennel. Für den Hotelchef ist klar: „Nachhaltigkeit bedeutet für uns nicht Verzicht, sondern vielmehr einen Mehrwert – mehr Verantwortung, mehr Geschmack und mehr Begeisterung.“

Sowohl die Tenne Lodges & Chalets als auch das Seegut Zeppelin zeigen, dass vegan-vegetarische Foodkonzepte in der Hotellerie nicht nur eine nachhaltige, sondern auch eine wirtschaftlich tragfähige Option sind. Durch den kreativen Umgang mit saisonalen und regionalen Zutaten, innovativen Zubereitungstechniken und der konsequenten Verwertung aller Bestandteile der Pflanze entsteht eine Küche, die sowohl geschmacklich als auch ethisch überzeugt. Beide Häuser beweisen, dass nachhaltige Gastronomie nicht nur Verantwortung bedeutet, sondern auch mehr Geschmack für die Gäste schafft, mehr Vielfalt mit sich bringt und mehr Begeisterung erzeugt. Pflanzliche Konzepte erobern die Hotellerie mit neuen Ansätzen und inspirieren zu einem bewussteren Umgang mit den vorhandenen Ressourcen.

"Gemüse ist anspruchsvoll"

Was hat Sie inspiriert, sich der rein pflanzlichen Küche zu widmen?
Absolute Überzeugung. Die Modernisierung der Küchentechniken wie Sous-vide-Garen hat mich gelangweilt. Ich wollte zurück zu handwerklichem Können und etwas Zukunftsorientiertes schaffen.

Welche Techniken oder Zutaten verwenden Sie bei Ihren Gerichten?
Ich bringe die Natur zurück in die Küche: Wildkräuter, ein tiefes Verständnis für Jahreszeiten sowie alte Techniken wie Fermentieren, Einlegen und Reifen. Das entscheidende Ziel ist es, ein Produkt ohne Gewürze oder ohne Zutaten aus Übersee so herauszuarbeiten, dass es für den Gast zur besten Version wird, die er je gegessen hat.

Wie stehen Sie zu veganen Fleischersatzprodukten?
Ersatzprodukte sind für Einsteiger hilfreich, aber langfristig keine Lösung. Gemüse zu kochen ist anspruchsvoll, aber es lohnt sich, den direkten Weg über frische Zutaten zu gehen, ohne sich von stark verarbeiteten Ersatzprodukten ablenken zu lassen.

Wie tragen vegane Konzepte zu einem kleineren ökologischen Fußabdruck bei?
Vegan zu kochen ist nicht automatisch nachhaltig. Deshalb entwickeln wir unser Konzept ständig weiter. Mit Ansätzen wie „Farm-to-Table“, „Leaf to Root“ und einem „Zero-Waste“-Projekt reduzieren wir Lebensmittelverschwendung und schonen Ressourcen.

Ricky Saward Seven Swan
Ricky Saward, Küchenchef im veganen Sternerestaurant Seven Swans - © Katharina Dubno

Dieser Artikel ist in der Tophotel-Ausgabe 12-2024 erschienen.